Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit
auf braunem Pelz liegende antike Taschenuhr. Ihr folgte das sepiafarbene Portrait einer Gruppe unglücklich dreinblickender Kiowa, die man laut der handg e schriebenen Anmerkung frisch im Militärlager abgeliefert hatte. Ruth klickte weiter, fünfmal, sechsmal. Saras Gedanken schweiften zune h mend ab. Hier saß sie als neu ernannte rechte Hand der Chefin und war so hilfreich wie eine Toastscheibe. Sie wollte heulen. Nein, lieber irgen d was zerschlagen. Verdammt und zugenäht, nur dieser elenden Abhä n gigkeit vom Geld war es geschuldet, dass ihr Leben von Fremden b e stimmt wurde. Menschen, die ihr vorschrieben, was sie wann und wie tun sollte. Oder die ihr verboten, das zu tun, was sie wollte.
Erst, als Ruth zum elften Mal den Knopf drückte, wurde Saras Mauer aus Frust durchbrochen. Ungläubig starrte sie auf das vor ihr ersche i nende Cover. Es zeigte eine breite, flache Schlucht inmitten sich endlos wellender Prärie. Haine aus Pappeln und ein jadegrüner Fluss schimme r ten in ihren Tiefen, die Hänge leuchteten ockerfarben, golden, rostrot und braun. Ähnlich dem Antelope Canyon, der je nach Tageszeit ein Feuerwerk aus sich verändernden Farben zeigte.
Sara lief es kalt den Rücken hinunter. Sie kannte diese Schlucht. Sie war schon einmal dort gewesen, aber das war unmöglich. Laut Bildunte r schrift befand sich diese Landschaft inmitten der Staked Plains, und dort war sie nachweislich niemals gewesen. Zwar war der Besuch dieses Landstrichs, in dem Nocona und Naduah viele Jahre ihres Lebens ve r bracht hatten, in ihren Plänen vorgesehen gewesen, doch allerlei Fügu n gen und Zufälle hatten dazu geführt, dass ihre Pläne durchkreuzt worden waren. All ihre Sinne fokussierten sich auf das Bild. Ruth redete auf sie ein, doch Sara verstand kein Wort.
Dort, wo der Fluss vom flachen, rotsandigen Ufer gesäumt wurde, ha t ten einmal Zelte gestanden. Im Schutz der Felsen, die die Farbe von getrocknetem Blut besaßen, wuchs das Schilf mannshoch. Es gab eine Sandbank, auf der sie oft gelegen und vor sich hingeträumt hatte. Halb vom grünen Wasser umspült, halb von der Sonne umschmeichelt. Sie konnte sie spüren, die Wärme der Strahlen auf ihrer Haut. Den feinen Sand, das Rascheln des Schilfs. Nocona lag an ihrer Seite, nackt wie sie. Sara … nein, Naduah wand sich unter den streichelnden Fingern, die jeden Zentimeter ihres Körpers erforschten. Sie versank in seinen Kü s sen, die mal zärtlich waren, mal ihre Lippen mit gierigem Hunger ve r schlangen. Alles, was sie fühlte, bestand aus Erregung und Wonne. Er beugte sich über sie, und während sie sein wunderschönes Lächeln sah, glitt sein Haar über ihre nackte Brust und berührte die Spitzen. Sie b e gehrte ihn mit einer Heftigkeit, die ihren Körper in einen einzigen, zi e henden Schmerz verwandel t en . Ein tiefes Grollen vibrierte in seiner Kehle, als er ihre Brustwarze zwischen seine Lippen nahm. Er zwickte sie mit seinen Zähnen, reizte sie mit der Zunge, saugte und liebkoste, bis sie sich unter dem Gewicht seines Körpers wand und glaubte, zerspri n gen zu müssen, wenn sie ihn nicht in sich spürte. Ungeduldig drängte sie ihn zwischen ihre gespreizten Beine. Der Wind flüsterte im Schilf, wä h rend er in sie eindrang. Behutsam, auch wenn es ihm schwerfiel, denn in ihrem Leib wuchs ein Kind heran. Naduah drängte sich ihm entgegen, seufzend vor Sehnsucht, zitternd vor Lust. Und während er langsam in sie glitt, sie nach endlosen Augenblicken endlich ganz erfüllte, flüsterte er ihr Worte ins Ohr. Wenn der Wind mir durch das Haar weht, weiß ich, dass du dich in meinem Herzen bewegst …
„Sara? Hallo? Wo bist du mit deinen Gedanken?“
Eine ferne Stimme. Unwirklich, falsch. Sie wollte sie nicht hören. Wol l te nicht, wollte nicht …
„Sara, verdammt!“
Ein heftiger Knall. Dann die Wirklichkeit. Grelle Splitter, laute Sche r ben. Ihr Kopf war unsanft mit der Tischplatte kollidiert. Durch ihren Unterleib brandete noch immer die Lust. Welle um Welle. Um ein Haar hätte sie laut aufgestöhnt. Mein Gott, konnte man so viel Seh n sucht empfinden, dass man daran zugrunde ging? Was passiert e nur mit ihr?
„Hey.“ Ruth nahm sie bei den Schultern. Als sie sie behutsam schütte l te, fühlte sich Saras Körper wie eine knochenlose Stoffpuppe an. „Was ist los mit dir?“
Verwirrt sah sie sich um. Auf der Leinwand prangte noch immer das Bild der Schlucht. Sara legte beide Hände vor ihr Gesicht und schüttelte den Kopf. Sie gehörte nicht
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