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Nocturna - Die Nacht der gestohlenen Schatten

Titel: Nocturna - Die Nacht der gestohlenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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Wildnis
lag eine zentimeterdicke Stille. Apolonia fühlte sich, als würde sie durch ein Ölgemälde wandern.
    Der Diener öffnete eine Doppeltür, und Apolonia betrat ein Esszimmer mit einem großen Kamin und einem polierten Holztisch, umringt von roten Sesseln. Im Feuerschein saßen Nevera und Morbus. Apolonia musste sich immer noch an den Anblick von den beiden zusammen gewöhnen.
    Morbus bot ihr den Stuhl zu seiner Rechten an, gegenüber von Nevera. Kaum einen Moment später kam der Diener mit mehreren Tellern zurück und tischte das Abendessen auf. Apolonia beobachtete abwesend, wie drei Gläser mit Wein gefüllt wurden. Schweigend begannen sie zu essen, und obwohl sie den Blick auf ihren Rosenkohl geheftet hielt, bemerkte sie, wie Nevera und Morbus sich immer wieder ansahen, unausgesprochene Gedanken tauschend.
    Schließlich tupfte Morbus sich die Mundwinkel mit seiner Serviette ab. »Ich hoffe, wir haben dich heute nicht zu sehr … gefordert«, begann er behutsam. »Niemand weiß besser als wir, dass die Wahrheit nicht leicht zu verkraften ist.«
    Apolonia senkte ihre Gabel und bemühte sich um ein gelassenes Lächeln. »Ich mache mir noch einige Sorgen, was die Sache betrifft, die in der Zeitung stand. Und auch die mit dem überfahrenen Polizisten.«
    Nevera nickte. »Dein Onkel wird sich darum kümmern, dass man dich nie mit dem toten Polizisten in Verbindung bringen wird.«
    »Wie?«, fragte Apolonia nach einer Pause.
    »Es gibt Mittel, Zeugen zum Schweigen zu bringen. - Ich spreche von finanziellen Aufmerksamkeiten. Keine Angst.« Ein kleines Lächeln huschte über Neveras Gesicht, als sie einen Schluck Wein nahm, und ihr Blick flog zu Morbus. Apolonia fragte sich, in welcher Beziehung Morbus zu ihrem Onkel stand - und, überdies, zu Nevera … Das Ganze war
sehr nebulös, und Nevera und Morbus hatten augenscheinlich kein Interesse, daran etwas zu ändern.
    »Was dein dreitägiges Verschwinden angeht«, fuhr Morbus fort, »denke ich, wir sollten bei dem Plan bleiben, den wir heute Nachmittag besprochen haben: Du wirst sagen, dass du entführt wurdest. Damit entgehst du auch irgendwelchen albernen Verdächtigungen bezüglich Eck Jargo , die für die Karriere deines Onkels schädlich sein könnten.«
    »Wir haben bereits mit einem Journalisten vom Stadtspiegel ausgemacht, dass es ein Interview mit dir geben wird. Sein Name ist Erich Brahms und er ist ein guter Freund von Wilhelm.«
    Apolonia versuchte, sich vorzustellen, dass Wilhelm Kastor, der kühle blonde Dichter, »gute Freunde« hatte.
    »Vorher habt ihr gesagt, dass die Arbeit der Dichter sich nun, da ich dabei bin, sehr verändern wird. Ihr wollt einen offenen Kampf gegen den TBK führen, so wie meine Mutter es gewollt hat. In dem Interview werde ich bekannt geben, dass der TBK mich entführt und bedroht hat - ich werde die ganze Wahrheit über Magdalena erzählen.«
    »Du …« Morbus räusperte sich und legte die Stirn in Falten. »Du sprichst mir aus der Seele, Apolonia. Genau das wollte ich dir gerade vorschlagen. Allerdings müssen wir an die Gefahr denken, in die du dich begibst.«
    Apolonia lehnte sich in ihren Sessel zurück. »Ich fürchte mich nicht vor dem TBK.«
    Nevera lachte leise auf. »Nein, wir meinen nicht die Bedrohung durch den Treuen Bund - die besteht so oder so. Wir sprechen von der Gefahr, die von den Menschen ausgeht, wenn du ihnen die Wahrheit erzählst. Sie werden dir nicht glauben, Apolonia.«
    Sie zückte ihr Zigarettenetui und steckte sich eine Zigarette in ihren Halter. »Deine Mutter hatte vor, die Wahrheit zu sagen,
die ganze Wahrheit über unsere Gaben und die des TBK. Das war nobel und ehrlich, aber wenig hilfreich. Hätte sie lange genug gelebt, um wirklich an die Öffentlichkeit zu gehen, hätte man sie ausgelacht oder bestenfalls ignoriert. Wenn wir eine Wahrheit vertreten, an die sonst niemand glauben kann, stehen wir sehr alleine da - aber wir brauchen jede Unterstützung, die wir bekommen können. Alles, was wir ab jetzt den Menschen sagen, darf nur dem Zweck dienen, sie auf unsere Seite zu ziehen - gegen den TBK. Und wenn wir erfinden und verschweigen und, Gott vergib mir, lügen müssen, dann soll es so sein. Unser ehrenvolles Ziel verzeiht alle Mittel.«
    Morbus stützte die Arme auf den Tisch und setzte, um einem Einwand von Apolonia vorzubeugen, hinzu: »Du musst dir vorstellen, dass die Leute in gewisser Weise blind sind. Stell dir vor, alle Menschen wären … Schweine auf einem Bauernhof, die vom

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