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Nocturna - Die Nacht der gestohlenen Schatten

Titel: Nocturna - Die Nacht der gestohlenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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Polizisten brachten Helligkeit ins Dunkel. Ein Gefecht war im Gange. Gestalten wurden von den Blauröcken zu Boden gedrückt und in Handschellen gelegt. Hier und dort geschahen eigenartige Dinge mit Polizisten: Manche ließen ihre Pistolen schmerzerfüllt fallen, stolperten drei Meter zurück oder rutschten wie von unsichtbaren Mächten gepackt über den Boden. Apolonia lehnte sich an die modrige Wand und bewegte sich unauffällig auf einen der Gänge zu, ohne den Kampf aus den Augen zu lassen. Eine Kugel bohrte sich direkt neben ihr ins Gestein und sie huschte das letzte Stück in den Gang. Das Echo ihrer raschen Schritte jagte sie voran. Finstere Öffnungen zogen links und rechts vorbei. Überall glaubte sie Gestalten zu sehen, doch es waren nur ihre eigenen Schatten, die bleich und durchsichtig an den Wänden vorbeihetzten. Der Gang wurde immer schmaler. Dann machte er eine Biegung und endete in einer Sackgasse. Im Näherkommen erkannte Apolonia, dass eine Tür in die Wand eingelassen war. Vorsichtig zog sie sie auf.
    Vor ihr war eine Holzwand. Nein … nein, es war die Rückseite
eines Möbelstücks, eines Regals. Apolonia fuhr mit den Fingern in eine Kerbe an der Seite und schob die Holzwand zur Seite.
    Licht strömte ihr entgegen. Sie betrat ein rundes Zimmer, das von Bücherregalen bedeckt war. Sie blickte empor. Über ihr verloren sich die Regale in Finsternis, keine Decke war zu sehen. Ein Schreibtisch füllte die Mitte des Raumes aus, auf dem lauter seltsame, tickende und schwingende Apparaturen standen. Apolonia kam näher. Das hier war eindeutig das Zimmer einer Motte. Die Runenkarten - das Pendel - die Sanduhr, die sich von selbst umdrehte - das alles kannte Apolonia von ihrer Mutter. Ferne Erinnerungen berührten sie. Es roch sogar nach etwas, das sie aus ihrer Kindheit kannte - ein feiner Duft nach Wüstenerde, nach Rauch und schwersüßen Blüten mischte sich mit dem staubigen Aroma alter Bücher. Ohne dass sie es verhindern konnte, sog sie tief die Luft ein und schloss die Augen. Als sie ausatmete, klang es wie ein zittriges Seufzen.
    »Hallo, Apolonia.«
    Sie fuhr herum, jeden Muskel gespannt.
    Im Raum standen ein alter Mann mit wirrem weißem Haar, der sich auf einen Gehstock stützte, und ein apathisch wirkendes Mädchen. Das Herz schlug Apolonia bis zum Hals, als sie Loreley wiedererkannte. Sie streckte die Hände aus und griff den Mann an.
    Er hielt seine Handfläche gegen den Energiestoß. Sein Gesicht zuckte; dann machten seine Finger eine rasche Bewegung und der Angriff verpuffte. Bücher flogen aus den Regalen und stürzten auf den Mann herab. Doch kurz über seinem Kopf machten sie eine abrupte Bewegung, als würden sie an einem unsichtbaren Dach abprallen, und fielen rings um ihn zu Boden.
    »Hör auf damit, Apolonia. Ich bitte dich.«

    Apolonia wich hinter den Schreibtisch. »Ich weiß, wer Sie sind! Sie sind Erasmus Collonta, der Anführer des Treuen Bunds!«
    Collonta sah sie schweigend an. Apolonia starrte zurück, bis sie spürte, wie ihr Zorn und ihre Erregung allmählich schwanden. Hatte Collonta das bewirkt? Vielleicht manipulierte er sie mit seinem Blick! Aber das würde sie nicht zulassen; wie um sich selbst daran zu erinnern, sagte sie: »Sie haben meine Mutter ermordet, wegen Ihnen ist mein Vater verrückt geworden. Sie haben mir alles weggenommen …«
    Collonta schüttelte den Kopf. »Das ist nicht wahr. Magdalena war eine gute Freundin von mir. Ich war bei der Hochzeit deiner Eltern. Ich war bei deinen ersten Geburtstagen dabei, Apolonia. Ich habe dir damals ein magisches Holzkästchen geschenkt, das zwei Böden hatte - darin lag eine kleine Porzellanpuppe. Als ich dir den Trick vorführte und die Porzellanpuppe im zweiten Boden verschwand, hast du angefangen zu weinen und mich geschlagen.« Collonta lachte auf und seufzte. »Magdalena hat dich so geliebt. Allein um ihretwillen würde ich dir nie Schaden zufügen.«
    Ihre Hände hatten sich um die Tischkante geklammert. Sie erinnerte sich an das Holzkästchen - wie oft hatte sie früher damit gespielt und gestaunt, wenn das Püppchen darin verschwunden war … Sie hatte nicht begriffen, dass ein Trick dahintersteckte, und es immer als gutes oder schlechtes Omen betrachtet, wenn sie das Kästchen geöffnet und nachgesehen hatte, ob die süße Porzellanfigur da war oder nicht.
    »Ich weiß, dass du viele Lügen gehört hast und dir die Wahrheit nun wie eine davon erscheint«, fuhr Collonta ruhig fort. »Und um ehrlich zu

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