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Nocturna - Die Nacht der gestohlenen Schatten

Titel: Nocturna - Die Nacht der gestohlenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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nennenswerte Gaben, ich hielt sie eher für recht schwach - aber um Magdalena nicht zu verletzen, behandelten wir sie alle ausnehmend freundlich. Bei diesen Treffen lernte sie Jonathan Morbus kennen.
    Ach, Morbus… Professor Ferol, damals noch ein guter Freund von mir, brachte ihn eines Tages mit. Morbus war einer seiner Kunststudenten. Ferol hatte mir schon vorher erzählt, dass der junge Mann zwar aus ärmlichen Verhältnissen stamme, aber sein bester Schüler sei, und als er erfuhr, dass er außerdem eine Motte war, stieg seine Achtung vor ihm noch. Als Ferol mir Morbus vorstellte, war er ein schwieriger junger Mann Anfang zwanzig, der noch nicht recht zu wissen schien, wie er mit seinen vielen Talenten umgehen sollte; er wirkte stets zwischen großem Misstrauen und übertriebener Selbstsicherheit hin- und hergerissen. Doch sobald wir ihm zeigten, dass er in uns eine Quelle des Wissens gefunden hatte, war sein Ehrgeiz geweckt. Er entwickelte seine Gaben prächtig unter unserer Anleitung, sodass Ferols Behauptung, er habe mit Morbus ein Genie entdeckt, schon im Begriff war, sich zu bestätigen. In der Tat verwandelte sich Ferols Anerkennung für Morbus in eine tiefe Bewunderung und die beiden tauschten bald die Rollen von Lehrer und Schüler. Ferol neigte schon immer dazu, sich an Menschen zu hängen, die er als größer erachtete als sich selbst, aber das ist eine andere Geschichte.
    Jedenfalls trafen sich Morbus und Nevera das erste Mal bei unseren Treffen in Magdalenas Haus. Ich habe nicht mitbekommen,
wie es passierte, doch bald waren die beiden enge Verbündete. Nevera hängte sich an ihn wie eine Klette, da sie wohl irgendwo aufgeschnappt hatte, dass er ein Genie war. Morbus schien es nicht weiter zu stören. Ihm gefiel es durchaus, von Bewunderern umgeben zu sein. Wir freuten uns anfangs, dass das Mädchen endlich jemanden gefunden hatte, den es verehren konnte, denn uns anderen hatte Nevera bis jetzt nie ein Fünkchen Respekt entgegengebracht. Doch ziemlich rasch stellte sich heraus, dass es mit ihr und Morbus genau andersherum war: Aus Gründen, die ich bis heute nur erahnen kann, vergötterte Morbus sie und war ihr ganz und gar hörig. Bevor er sie getroffen hatte, war er ein Student mit der vagen Liebe zur Kunst und einem Hang zur Selbstdarstellung gewesen; nun benannte Nevera die Ziele für ihn, die unausgesprochen in seinem Herzen schlummerten. Erstmals schien er auf den Gedanken zu kommen, dass man Mottengaben einsetzen konnte, um Kunst zu schaffen. Damit hatte er den Sinn seines Lebens gefunden. Und Nevera, diesem reizlosen, hochmütigen Mädchen, hatte er den Fund zu verdanken.
    Allerdings war Morbus zu dieser Zeit alles andere als wohlhabend. Ich glaube, er war der Sohn eines Schuhmachers; sein Studium hatte anfangs eine etwas besser situierte Großtante finanziert, später kam Ferol für seinen gesamten Lebensunterhalt auf. Ich vermute, dass das der Grund war, weshalb Nevera seinen Heiratsantrag einige Jahre später ablehnte. Sie träumte noch immer davon, zur feinen Gesellschaft zu gehören. Aber Morbus wollte sie auch nicht ganz aufgeben, schließlich müssen seine Gaben ihr zumindest fast so wertvoll wie Geld und große Häuser vorgekommen sein.« Collonta schüttelte mit einem traurigen Lächeln den Kopf.
    »So naiv war Nevera einmal! Später ist ihr aufgegangen, dass sich durch Gaben, wie Morbus sie besitzt, weitaus größere Möglichkeiten eröffnen als durch alles Geld der Welt.
Hätte sie das schon damals erkannt, hätte sie ihn vielleicht geheiratet. Wer weiß. Aber ob Trauring oder nicht, ihre Beziehung blieb über die Jahre unverändert stark.
    Als Magdalena ermordet und unser Plan verraten wurde, hätte Morbus wahrscheinlich noch mehr getan, wenn es Neveras Wunsch gewesen wäre. Was sie zusammenhielt, muss mehr als eine emotionale Bindung gewesen sein - Morbus muss geglaubt haben, dass niemand seine Gaben so zum Einsatz bringen konnte wie Nevera. Sie holte das Beste aus ihm heraus, da es auch in ihrem Interesse lag, und so blieb er ihr gegenüber bis heute in jeder Hinsicht loyal. Offenbar nicht zu seinem Schaden, schließlich sind sein jetziger Reichtum und Stand zu großen Teilen Neveras Verdienst. Ich wette, dass es ihre Idee war, den vergreisten Grafen von Therin zu manipulieren, sodass er kurz vor seinem Tod Morbus adoptierte.
    Doch davor musste sie sich noch um ihren eigenen Aufstieg kümmern. Ich habe später erfahren, dass sie deinen Onkel Elias bei Magdalenas Begräbnis

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