Nocturne City 01 - Schattenwoelfe
Blutmagie.“
„Was haben Sie ihn gelehrt?“, fragte Sunny.
„Ganz gewiss nicht das, was er eigentlich wollte“, sagte Hoskins. „Marcus war sehr enttäuscht davon, dass in meinen Vorlesungen nur die Theorie der Magie und nicht deren Praxis gelehrt wurde. Keine der Bluthexen von Nocturne City wollte ihn als Schüler aufnehmen, und auch die Casterhexen hätten maximal auf ihn gespuckt.“
Das hatte natürlich seine Gründe. Keine Bluthexe mit ein bisschen Verstand wollte den Sohn des reichsten Ehepaars von ganz Nocturne City als Schüler anstellen, damit er ihre Spruchbücher organisierte oder herumstreunende Katzen für ihre Zaubereien zerlegte.
„Marcus wurde dann irgendwann von der Uni ausgeschlossen, aber seine Eltern haben die Akteneinträge manipulieren lassen, sodass es jetzt so aussieht, als habe er einfach selbst hingeschmissen“, erklärte Hoskins.
Die skandalöse Story hatte mein Interesse geweckt. „Weswegen ist er rausgeflogen?“
Ein Lächeln flog über Hoskins Gesicht. „Er ist in mein Büro eingebrochen und hat ein sehr seltenes Buch gestohlen. Eine der wenigen Handlungsanweisungen, die jemals von einer Bluthexe geschrieben worden sind.“
„Ist das Buch hier?“
„Nein“, sagte Hoskins. „Levinson hat die für ihn interessanten Passagen in sein Spruchbuch kopiert und dann den Originaltext verbrannt. Sie können sich vorstellen, dass ich außer mir war.“
„War bestimmt ganz schön was wert, das Buch“, sagte Sunny mitfühlend.
„Ich fürchte, Sie verstehen mich nicht ganz.“ Hoskins schob seine Brille ein Stückchen in Richtung Nasenspitze. „Wenn man unterrichtet, lernt man mit der Zeit sehr schnell, die Studenten, bei denen es sich lohnt, Zeit und Energie zu investieren, von jenen zu unterscheiden, die eine reine Zeitverschwendung darstellen. Marcus gehörte zu keiner dieser beiden Gruppen. Er war sozusagen ein Hexer von Geburt an und absolut wahnsinnig. Dieser Junge hat mir Angst eingejagt, und als ich erfuhr, dass er das Buch gestohlen hatte, fürchtete ich um mein Leben.“ Hoslons seufzte. „Wie sich herausstellte, hatte er aber weitaus grausamere Pläne mit mir. Als er zu den Morden befragt wurde, hat er der Polizei meinen Namen zugespielt, und den Rest kennen Sie ja.“
„Wie schrecklich für Sie“, sagte Sunny.
„Schrecklich. Sicher. Aber deswegen ist Ihre Cousine nicht hier. Sie will wissen, was passiert ist, nachdem Marcus mein Buch gestohlen hatte. Sie will mehr über den Dämon erfahren.“
Ich klappte mein Notizbuch auf und notierte in Stichpunkten, was Hoslons bis dahin gesagt hatte. Dann deutete ich ihm mit einem Nicken an, dass er fortfahren konnte.
„Erinnern Sie sich, wie viele Menschen Marcus zum Opfer fielen, Detective?“
Ich versuchte es im Kopf zu überschlagen. Cedar Hill hatten wir in der Polizeiakademie behandelt – ein Paradebeispiel für den katastrophalen Verlauf von polizeilicher Ermittlungsarbeit bei Fällen, in die Werwölfe und Hexen involviert sind. Den Auszubildenden hatte man auf diese Weise beigebracht, wie böse, hinterhältig, verschlagen, unheimlich und grausam wir sein können.
„Sechs.“
Hoslons streckte einen Finger in die Luft. „Eigentlich hätten es sieben sein sollen.“
„Warum?“
„Sieben ist der unvollkommene Kreis“, murmelte Sunny.
„Der Zauber, mit dem Bluthexen andere Wesen und Dinge herbeirufen.“
„Im Fall von Marcus absolut lächerlich und sinnlos. Dämonen lassen sich nicht wie Hunde herbeirufen“, erklärte Hoskins. „Das hat er nie verstanden. Die Zeit, der Stand des Mondes und der Sterne, die Gezeiten – eine ungeheure Menge an Details muss stimmen, damit eine Bluthexe diesen Zauber durchführen kann. Keine Hexe ist in der Lage, einen Dämon zu einer beliebigen Zeit unter beliebigen Umständen und nur durch ihren bloßen Willen herbeizurufen.“
„Die Leute erzählen sich aber immer noch Geschichten …“, murmelte ich. Wie zum Beispiel die über eine Zeit, in der Dämonen unter uns auf der Erde wandelten und sich Menschen als Sklaven hielten – eine besonders unter den Bluthexen sehr beliebte Geschichte.
„Man kann nur das herbeirufen, was bereits existiert“, sagte Sunny mit einem Augenrollen. „Darum kann man auch nicht die Toten rufen oder gar Dämonen. Sie sind nicht von unserer Welt.“
„Und trotzdem war Levinson überzeugt, dass es ihm gelingen würde. Warum?“ Ich sah den Professor mit einem fragenden Blick an.
Hoskins öffnete seine Hände. „Detective, ich
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