Nocturne City 01 - Schattenwoelfe
immer wieder in eher konfliktreichen Situationen zu treffen. Ich bin sehr erleichtert darüber, dass das zukünftig nicht mehr der Fall sein wird.“
Wenn man in kurzer Zeit einen Überraschungstreffer nach dem anderen kassiert, macht bei jedem irgendwann das Hirn schlapp und sagt: Genug jetzt! Das schien bei mir der Fall zu sein, denn in diesem Moment brachte ich nichts weiter fertig, als Lockhart wortlos anzustarren, während er sagte: „Falls Sie gekommen sind, um den Captain zu sprechen, so fürchte ich, dass er zur Zeit nicht verfügbar ist.“
In meinem Innersten läuteten die Alarmglocken Sturm. „Er hat mich gerade erst reingelassen“, presste ich in einem, meinem Empfinden nach, bemerkenswert neutralen Ton hervor. „Nein, das war ich“, sagte Lockhart. „Captain Roenberg hat die Bühne verlassen, fürchte ich. Aber bitte, überzeugen Sie sich doch selbst von der Lage. Ich denke, die Polizeikraft sollte sich das Ganze mal ansehen.“ Dann holte er sein Handy hervor und wählte 911.
Die einzige Sache, die meinem Hirn einfiel, war: „Was haben Sie getan, Lockhart?“
„Nur das, was notwendig war. Auf Wiedersehen, Detective Wilder.“ Er kippte seinen Kopf leicht seitwärts, machte eine selbstzufriedene Geste und ließ mich allein im Vorhof stehen, als er in seinem schwarzen Mantel aus dem Eingangstor huschte.
Als ich über die kleine Gartenfläche rannte und mit einem Satz die paar Stufen zu Roenbergs Wohnungstür hochsprang, war ich wirklich froh, dass eine Pistole in meinem Hosenbund steckte.
Kaum hatte ich die Tür berührt, drehte sich der Türknopf, und die Wohnung stand offen. Mit dem Rücken am Türrahmen überprüfte ich mit vorgehaltener Waffe das Foyer, bis mir mein Geruchssinn und meine Augen zweifelsfrei bestätigten, dass ich allein war. Nach dem Eintreten schloss ich die Tür hinter mir ab.
Die Wohnung war so steril und bieder wie Roenberg selbst -das Geschirr war akkurat in den Abtropfständer einsortiert, und die hellbraune Sofagarnitur passte perfekt zur Wandfarbe.
Ich warf einen Blick ins Esszimmer, in dem eine dicke Staubschicht über den Möbeln lag, und sah drei braune Kisten auf einem mit blutverschmierten Fingerabdrücken übersäten Tisch. Sie lagen auf der Seite, sodass der Inhalt herausgefallen war: kleine Plastiktüten mit Beweismitteln und ein paar Aktenmappen mit der Aufschrift PETROFFSKI, K. Neben den Akten lag eine offene DVD-Hülle. Zweifelsohne waren das die Beweismittel, die Roenberg im Club hatte sicherstellen lassen.
Mit der Pistole im Anschlag schnellte ich herum und ging auf die Tür hinter mir zu, die in Roenbergs Schlafzimmer führte. Mit der Fußspitze stupste ich sie auf und sah sich selbst in einem riesigen Wandspiegel. Zu meiner Linken saß Officer Thorpe in einem Stuhl.
„Verdammt“, murmelte ich, ließ die Waffe sinken und lehnte mich angesichts des grauenhaften Anblicks mit dem Rücken gegen die Wand. Direkt unter dem Kinn hatte man Thorpe die Kehle durchgeschnitten, sodass das Hemd seiner blauen Uniform über und über mit Blut besudelt war. In der schlaffen Hand des Toten baumelte noch Roenbergs schnurloses Telefon. Fassungslos machte ich einen Schritt auf die Leiche zu und schloss ihre Augen.
Da das Blut noch frisch war, begann mein Magen zu rebellieren.
„Tut mir leid, Officer“, flüsterte ich wütend angesichts der Tatsache, dass es keinerlei Grund für seinen Tod gegeben hatte. Ich weiß nicht, wie lange ich noch in einem Gefühl von Trauer und Wut dagestanden und den Toten angestarrt hätte, wenn nicht plötzlich jemand gegen die Wohnungstür gehämmert hätte.
„Nocturne City Police! Öffnen Sie die Tür, Detective Wilder!“
„Mist!“, entfuhr es mir, und ich wusste, dass dieser Ausdruck mein Dilemma nur unzureichend beschrieb.
„Hier ist Detective Wilder!“, schrie ich zurück. „Was ist das Problem?“
„Wir müssen Sie verhaften, Detective! Öffnen Sie die Tür, oder wir kommen rein und holen Sie, Sie Copkiller!“
VERDAMMT! Lockhart, der kleine, rachsüchtige Bastard, hatte allem Anschein nach die Kavallerie auf mich gehetzt. Dank meiner Wolfsohren hörte ich einen der Cops draußen sagen: „Los, Tür aufbrechen.“
„Wir kommen jetzt rein, Detective!“, brüllte ein anderer. Panisch suchte ich im Schlafzimmer nach etwas Brauchbarem.
Auf dem Bett lag ein offener Reisekoffer, ein Stapel Socken und Unterwäsche. Roenberg war schon lange auf und davon. Gegenüber von Thorpes Leiche stand ein Fernsehschränkchen,
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