Nocturne City 01 - Schattenwoelfe
„Und Detective Wilder. Schließen Sie die Tür.“
McAllister hatte sich schon hingesetzt, sodass ich jetzt eigentlich Platz nehmen musste. Ich schloss die Tür vorsichtig und stellte mich hinter den grünen Plastikstuhl, der vor Roenbergs Schreibtisch stand. Wenn er gedacht hatte, dass ich mich vor ihn setzen würde, um mich wie ein verängstigtes Schulmädchen maßregeln zu lassen, hatte er sich gewaltig geschnitten.
Roenberg winkte mit einem abteilungsinternen Memo in meine Richtung. „Irgendeine Vorstellung, was das hier sein könnte, Detective?“
Wenn er jetzt schon zum Angriff überging, verhieß das nichts Gutes für den weiteren Gesprächsverlauf.
„Eine Beschwerde, Sir“, antwortete ich und wusste schon, was als Nächstes kommen würde.
Roenberg wandte sich an Mac. „Troy, wann haben Sie Ihren Leuten eigentlich erlaubt, sich in meinem Revier so aufzuführen, als sei das hier eine Gladiatorenarena?“
Gladiatoren? Oh Mann, er wollte es anscheinend wirklich wissen! McAllisters Nackenmuskeln spannten sich an, aber seine Stimme behielt ihren gewohnt ausgeglichenen Ton.
„Nach dem, was Luna mir mitgeteilt hat, gibt es da einige mildernde Umstände, die besonders berücksichtigt werden sollten.“
„Ist mir scheißegal, was Detective Wilder dazu zu sagen hat“, erwiderte Roenberg auf Macs Einwand und starrte mich dabei an. Seine Augen hatten einen wässrigen Braunton, und seine blutunterlaufene Iris machte den Eindruck, als würden ihm jeden Moment die Tränen in die Augen schießen. Irgendetwas sagte mir aber, dass – sollte jemand im Laufe dieser Unterredung zu heulen anfangen – es nicht der Captain sein würde.
„Dave Bryson ist schon immer mit seinen Partnern und anderen Detectives aneinandergeraten, egal, auf welchem Revier er eingesetzt worden ist“, argumentierte McAllister, „und außerdem gehen zwei Beschwerden wegen übermäßiger Gewaltanwendung gegen Zivilisten auf sein Konto.“
Roenberg verdrehte die Augen, nahm einen ovalen silberfarbenen Gegenstand von seinem Schreibtisch und warf ihn von einer Hand in die andere. „Troy, ich bitte Sie. Das ist mir alles bekannt. Was hier auf dem Tisch liegt, ist eine schwerwiegende Anschuldigung. Detective Bryson musste sich mit einem gebrochenen Zeigefinger in die Notaufnahme begeben.“ Roenberg sprach die Worte „gebrochener Zeigefinger“ genauso aus, wie die meisten Leute „schweres Hirntrauma“ sagen würden, und das machte mich so rasend, dass ich mir fast vorgenommen hätte, Bryson beim nächsten Mal eine richtige Abreibung zu verpassen.
„Wilbur, ich möchte Ihnen nur sagen, dass ich Detective Wilder in dieser Angelegenheit unterstützen werde“, sagte Mac mit einem leicht kämpferischen Unterton.
Ich warf Mac einen dankbaren Blick zu, aber der war damit beschäftigt, Roenbergs Blick niederzuzwingen. Der Captain stellte die silberfarbene Scheibe mit einer nervösen Handbewegung beiseite. Erst in diesem Moment erkannte ich, dass es ein Caster war. Caster aus Metall waren selten und teuer. Nur erfahrene Hexen konnten den Energiefluss durch das Metall kontrollieren, und deshalb nutzten Sunny und all die anderen mir bekannten Casterhexen eigentlich Holz oder Stoff. Dass Roenberg mit einem Metallcaster hantierte, war umso ungewöhnlicher, da in seinen Adern kein Hexenblut floss. Zumindest sagte mir das mein in diesen Dingen eigentlich ganz verlässlicher Geruchssinn.
Er schloss den Hefter mit Brysons Beschwerde und legte ihn so auf dem Schreibtisch ab, dass die Hefterkanten perfekt mit der Schreibtischunterlage abschlössen.
„Sind wir dann hier fertig?“, fragte Mac.
Roenberg lächelte ihm mit geschlossenen Lippen zu. „Wir sind hier noch lange nicht fertig, Troy. Junge Lady …“, er ließ sich tatsächlich dazu herab, mit mir zu sprechen, „… wie lange sind Sie schon bei der Polizei?“
„Sieben Jahre, Sir“, antwortete ich ihm mit dem festen Vorsatz, mich nicht über die junge Lady aufzuregen.
„Und warum sind Sie Gesetzeshüterin geworden?“
Er konnte unmöglich ernsthaft erwarten, dass ich jetzt aufspringen würde, um dann mit Tränen in den Augen und zitternder Stimme zu sagen: Um die Gesellschaft zu beschützen und ihr zu dienen, Sir? Vielleicht hatte ich mich aber diesbezüglich geirrt, denn auf mein Zögern hin blaffte er mich an: „Ich warte, Detective!“
Mein Blick bohrte sich in seinen, aber er starrte nur mit ausdruckslosen Augen zurück und vermittelte mir das Gefühl, dass ich ein absolutes
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