Nocturne City 01 - Schattenwoelfe
Nichts für ihn war. Ich musste mich mächtig zusammennehmen, um in diesem Moment nicht über den Tisch zu springen und ihm seinen Truthahnhals umzudrehen. Der Gedanke daran, dass ich dann meinen Job als Detective für immer verlieren würde, half mir, aber es juckte mir trotzdem mächtig in den Fingern.
„Ich glaube, dass es da draußen schlechte Menschen gibt, Captain“, begann ich. In dem geschlossenen Raum klang meine Stimme rau und war mit einem Knurren unterlegt. Die Wut der Wölfin in meinem Hirn war erwacht und hatte Blut gerochen. Jetzt drängte sie nach außen, um sich die Sache näher anzusehen. „Ich glaube, dass es Menschen gibt, die gefangen und bestraft werden müssen. Ich bin Polizistin geworden, um genau das zu tun.“ Und um den hartnäckigen Stimmen zu entkommen, die mir immer wieder einreden wollten, dass ich niemals mehr als eine weitere Sackgasse am Familienstammbaum sein würde. Eine weitere Verliererin bei den Wilders – zu dumm, um irgendetwas Anständiges zustande zu bekommen, und zu besoffen, um ihr Versagen überhaupt zu bemerken.
Roenberg zuckte mit den Schultern: „Warum sind Sie dann nicht Sozialarbeiterin geworden? Oder Wachmann? Irgendwas, das mehr zu Ihrem Temperament gepasst hätte? Warum müssen Sie Ihre Probleme in meine Truppe schleppen?“
„Die Sozialarbeiter und Wachmänner, die ich kenne, hatten noch nie das Vergnügen, ein dreizehnjähriges Vergewaltigungsopfer zu befragen“, antwortete ich zähneknirschend. „Sie haben noch nie gesehen, was eine 45er Automatik mit einem menschlichen Körper anstellen kann. Ich schon. Und genau deswegen werde ich weiterhin als Polizistin arbeiten, bis ich entweder tot bin oder zu alt, um geradeaus zu schießen.“
Mac streckte seine Hand nach mir aus und packte mein Handgelenk. Da bemerkte ich, dass ich laut geworden war, ja fast geschrien hatte. Die rasende Wölfin in mir atmete tief ein und witterte die Beute. Nicht hier, betete ich. Bitte. Nicht hier. Nicht jetzt.
„Sehr rührend“, meinte Roenberg. Dann warf er McAllister meine Akte zu. „Suspendierung ohne Gehaltsfortzahlung bis Ihr Verhalten gegenüber Detective Bryson untersucht wurde. Außerdem ordne ich eine vollständige Überprüfung Ihrer Fälle im letzten Jahr an. Ihre Aufklärungsquote ist ungewöhnlich hoch.“
„Wie bitte?“, rief McAllister fassungslos. Glücklicherweise überdeckte sein Ausruf mein gemurmeltes „Sie verdammter kleiner …“.
„Captain“, sagte Mac, und sein Gesicht war rot vor Wut, „ich verstehe vollkommen, dass es notwendig ist, Detective Wilder für diese Auseinandersetzung zu disziplinieren, aber sie ist eine meiner besten Detectives. Ihre hohe Aufklärungsquote ist etwas, auf das man stolz sein sollte.“
„Troy, ich bin mir sicher, dass Sie denken, Detective Wilder wäre das Wundervollste, was dieser Stadt seit Einführung der Zebrastreifen und Straßenlampen widerfahren ist“, sagte Roenberg. „Und ich bin mir auch sicher, dass Detective Wilder liebend gern die Vorteile nutzt, die sich durch das übertrieben politisch korrekte Verhalten, das einigen Kollegen hier per Gehirnwäsche eingetrichtert wurde, ergeben.“ Er drehte seinen Stuhl so, dass er mir jetzt genau in die Augen sah, und richtete seinen Zeigefinger auf mich. „Aber ich sage Ihnen, Detective, Sie sind hier, um eine Quote zu erfüllen. Nicht mehr und nicht weniger. Sämtliche Erfolge seit Ihrer Beförderung zum Detective sind nichts weiter als ein glücklicher Zufall.“
Ich setzte zum Sprung an, aber Macs Hand erfasste gerade noch rechtzeitig meinen Unterarm und bohrte sich so sehr in mein Fleisch, dass es schmerzte. Die Wölfin in mir fletschte bereits die Zähne und lechzte nach blutiger Vergeltung. Gerade noch rechtzeitig konnte ich mich auf den Schmerz konzentrieren, der mich in McAllisters Griff hielt.
„Wir werden dann gehen, Sir“, sagte er zum Captain.
„Geben Sie Ihre Waffe bei Lieutenant McAllister ab“, sagte Roenberg. „Und vielleicht darf ich Ihnen für Ihre zukünftige Berufslaufbahn noch eine Beschäftigung empfehlen, die Ihre überaus sensible Persönlichkeit weniger stark belastet?“ Als er dann mit der Hand winkte, um uns anzuzeigen, dass wir gehen konnten, bemerkte ich zum ersten Mal, dass Roenberg ein Tattoo auf seiner linken Handfläche trug. Der stachlige Tribal-Kreis wollte so gar nicht zu einem Prinzipienreiter wie Roenberg passen. Bevor ich mir aber weitere Gedanken darüber machen konnte, zog mich Mac schon aus Roenbergs
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