Nocturne City 01 - Schattenwoelfe
nichts mit Drogen zu tun. Sie sah danach eher so aus, als habe sie etwas derart Grauenhaftes gesehen, dass sie nicht mal drüber sprechen konnte.“
„Hat Lilia Ihnen irgendwas Verwertbares über den Freier erzählt?“, fragte ich.
„Nur, dass er ein reicher Schnösel war, der auf Papis Kosten lebte und seit der Highschool nichts zustande gebracht hatte, außer in seinem Benz rumzufahren und auf Leute wie Lilia und mich zu spucken. Sie sagte, dass nicht eine Stunde vergangen sei, in der dieser Typ nicht damit geprahlt habe, was für ein toller Lacrosse-Spieler er doch an seiner Privatschule gewesen sei. Lacrosse … so ein Weichei“, sagte er mit einem verächtlichen Schnauben.
Diesmal bildete ich mir den Eisklumpen in meinem Bauch bestimmt nicht ein. „Hat sie gesagt, welche Privatschule es war?“
„Verdammt. Wie soll ich mich denn daran erinnern? Ich glaube es war Alder Bay oder Cedar Heights … auf jeden Fall irgendwas mit einem Baum.“
Ich schluckte, um meinen rasenden Herzschlag in den Griff zu bekommen. „Danke. Ich denke, das wird weiterhelfen.“
Er legte sich auf sein Feldbett und nahm einen Zug von seinem Joint. „Klar doch. Was immer Sie sagen, Detective. Hören Sie, falls Sie die Runde aus meinem Freund, dem Joint, und mir nicht komplettieren wollen, gehen Sie jetzt besser.“
Es war mir unerklärlich, wie er darauf kam, dass ich dieses Ding berühren, geschweige denn rauchen würde, aber ich antwortete lieber nichts auf sein Angebot, sondern öffnete die Tür, um zu gehen. „Ich werde ihn finden, Sandovsky.“
„Dmitri“, antwortete er.
„Wie bitte?“
„So heiße ich. Sie können mich Dmitri nennen.“
„Okay. Auf Wiedersehen, Dmitri.“ Nachdem ich die Tür zugezogen und Dmitri allein auf seiner Pritsche zurückgelassen hatte, fing ich sofort an, fieberhaft über seine Worte nachzudenken.
Auf der Straße angelangt, machte ich mich zügig auf in Richtung meines Wagens. Meine Schritte waren so schnell und energisch, dass das Geräusch meiner eigenen Schuhe auf dem Asphalt zuerst die trappelnden Schritte hinter mir überdeckte. Klick, klack, klick, klack …
Abrupt blieb ich stehen und drehte mich um. Die Straßenlampen waren allesamt schon vor Jahren durchgebrannt, und die Leuchtreklame des Crown warf nur einen kargen Lichtschein in die Seitengassen und die Lücken der zerklüfteten Häuserzeilen, wo alles Mögliche lauern konnte. Nach einem Schritt zurück rief ich in die Dunkelheit: „Wer immer du auch bist, such dir gefälligst eine andere Komparsin für deine Horrorfilmszene, verstanden?“
Nachdem ich ein paar Sekunden weitergegangen war, hörte ich sie wieder hinter mir – die harten Schritte eines schweren Wesens, fast absolut synchron mit meinen eigenen. Klick, klack, klick, klack …
Die Ecke zum Boulevard lag schon in Sichtweite vor mir. Trotzdem beschleunigte ich mein Tempo langsam und versuchte dabei panisch, es nicht so aussehen zu lassen, als würde ich rennen. Ein starker Geruch nach Kordit und Verwesung hatte sich über den typischen Gestank von Ghosttown gelegt, und in meinem Innersten schrien die Instinkte der Wölfin, dass ich endlich rennen sollte.
Der Boulevard war nur noch fünfzig Meter entfernt … vierzig … Ich war bereits in einen leichten Laufschritt gefallen, als ich es wieder hörte. Klick, klack, klick, klack, klick, klack …
Verdammt! Ich rannte los. Die Geräusche schienen jetzt von mehreren Füßen verursacht zu werden, und ich war mir fast sicher, auch flüsternde Stimmen, Schreie und das Flattern von Flügeln zu hören …
An der Ecke angekommen, riss ich die Glock aus dem Holster, fuhr blitzschnell um hundertachtzig Grad herum und legte an. „Verpisst euch!“, schrie ich und merkte, wie in meinen Worten mehr Panik mitschwang, als ich vor mir selbst und vor anderen in diesem Moment hätte zugeben wollen. Mein Herz raste in einer unfassbaren Geschwindigkeit, und ich musste mich zusammennehmen, um den Würgereiz zu unterdrücken, den der ekelhafte Gestank von irgendwo brennendem Müll bei mir auslöste.
Hinter mir war nichts. Nichts außer ein paar alten Laternenmasten, Autowracks und jeder Menge Müll, der durch die Bewegung des Winds raschelte. Meine Anspannung löste sich in einem heftigen Atemstoß, der mir überhaupt erst bewusst machte, dass ich vor Angst den Atem angehalten hatte.
Flatternde Flügel … Mein Gott! Nichts hat derart große Flügel! Die Gerüchte über Bluthexen, die wie gigantische Fledermäuse in
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