Nocturne City 01 - Schattenwoelfe
sagte sie zu dem leichenblassen Mann, der mit einer samtenen Smokingjacke und einer schon obszön engen Lederhose bekleidet war. Maven lächelte sie nur an und ging dann zurück zu Kindred, wo er seine farblose Hand auf ihrem mit weißem Leder überzogenen Hintern platzierte und mich gespannt ansah, als würde ich gleich mit brennenden Fackeln jonglieren oder von irgendwoher einen Hasen herbeizaubern.
Cassandra zog den Reißverschluss des Etuis auf, in dem neben einer ganzen Reihe von chirurgischen Messern und Skalpellen auch einige kleine Zangen und Piercing-Nadeln zum Vorschein kamen. Ihre Wahl fiel auf ein Skalpell mit einer geschwungenen Spitze, das aussah wie ein Ausbeinmesser in Miniaturgröße. Sie wirbelte es zwischen ihren Fingern herum, beugte sich über mich und setzte die Spitze des scharfen Instruments auf meiner Haut an. Ich lächelte in mich hinein: So ist’s gut, du Miststück. Komm schön nah ran, dann wird es auch richtig wehtun.
Ich schaute über ihre Schulter und tauschte einen Blick mit Dmitri. Irgendwie glaubte ich, ihm durch einen Blick mitteilen zu können, dass alles in Ordnung sei. Allerdings schien ich dabei völlig versagt zu haben, denn er fletschte nur die Zähne, die von Sekunde zu Sekunde spitzer zu werden schienen, und knurrte in meine Richtung.
„Wenn wir mit dir fertig sind, meine Liebe, nehmen wir uns deinen Freund da drüben vor“, flüsterte Cassandra mir ins Ohr, während sie aus ihrem linken Ärmel ein paar schwarze Seidenbänder hervorzog, um eine meiner Hände an die Stuhllehne zu fesseln. „Er strotzt ja nur so vor Manneskraft. Ich nehme an, dass sein Blut zuckersüß sein wird.“
Dann begann sie, meinen nicht gefesselten Arm mit ihren Fingerspitzen zu berühren und kratzte mit ihren schwarzen Fingernägeln darauf entlang. Als sie meine Haut berührte, fühlte ich die gleiche elektrostatische Entladung wie bei dem maskierten Einbrecher, der meine blutverschmierte Hand an seiner Brust gerieben hatte. Reflexartig zuckte ich zurück, und Cassandra fauchte: „Lügnerin!“
Zumindest wusste ich jetzt mit hundertprozentiger Sicherheit, dass ich am richtigen Ort war, um den Freak aufzuspüren, der mich überfallen hatte.
„Elende Lügnerin!“, schrie Cassandra erneut. Ich versuchte, mich loszureißen, doch sie umklammerte sofort mein Handgelenk und ließ das Skalpell in die weiche Unterseite meines Arms sausen. Genau wie der Maskierte war auch sie viel stärker, als sie es aufgrund ihrer Statur eigentlich hätte sein können.
Ich riss meinen gefesselten Arm von den Samtbändern los und verpasste ihr eine Gerade direkt auf die Nase. Eine Blutfontäne schoss daraus hervor. Durch die Wucht des Schlags fiel sie nach hinten und riss im Fallen mit dem Skalpell meine Haut auf. Ein rot glühender Schmerz schoss meinen Arm hinauf bis in meine Brust, und das vermischte Blut sorgte zusammen mit den zerrissenen Nervenenden in meinem Unterarm dafür, dass die Wölfin in mir bis zum Bersten gereizt wurde.
Cassandra stieß einen Schrei aus, der wie ein Kommando auf die Umstehenden wirkte, die sich nun auf mich stürzten. Ich versuchte, zurückzuweichen und gleichzeitig den Blutfluss an meinem Unterarm mit dem schwarzen Seidenband abzubinden, aber schon im nächsten Moment griffen Tausende Hände nach mir und rissen mich zu Boden. Unzählige Füße, Hände und Hacken bohrten sich in meinen Körper und fixierten mich auf dem Boden, sodass ich über mir nur noch die Gesichter der Angreifer sah.
„Schande über dich, die du Cassandra beleidigt hast“, sagte Maven. Er kauerte sich über mich, und ich versuchte vergebens, ihm etwas entgegenzusetzen, als er meine Wange berührte. Seine Hand fühlte sich eiskalt an. „Ich fürchte, jetzt müssen wir dich beseitigen, so besudelt und wertlos, wie du jetzt bist.“ Er hob meinen blutenden Arm hoch und ließ ihn wieder auf die Erde plumpsen. „Jemand reiche mir eine gerade Klinge.“
Die Menge huschte auseinander, um seiner Forderung nachzukommen, und das dabei entstehende Geräusch hörte sich für mich so an wie die raschelnden Seidenflügel einer weit entfernten Vogelschar. Das rote Licht des Raums tropfte aus meinem Blickfeld, und ein schwarzer Schatten nahm seinen Platz ein, bis schließlich das knochige, lang gezogene Gesicht von Maven alles andere verdeckte.
„Interessant“, murmelte er und tastete meinen Körper von oben nach unten ab. „Wie hast du es geschafft, Cassandra zu widerstehen? Verrate mir dein Geheimnis, du
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