Nocturne City 01 - Schattenwoelfe
zu erkennen.
Von draußen rammte jemand etwas unter heftigen Knallen gegen die Tür. Es klang nach mit Stahlkappen verstärkten Biker stiefeln.
„Luuuunaaaaaaaaa!“
Ich hatte richtiggelegen.
Mit einiger Anstrengung konnte ich meinen Kopf trotz des schmerzenden Griffs von Cassandras grobschlächtigen Gehilfen in Richtung Tür drehen. Im nächsten Moment flog sie krachend auf, und Kindred sprang mit einem gellenden Schrei zurück, denn Dmitri stürmte in den Raum und blieb wie angewurzelt stehen, als er sah, dass Cassandras Zombies mich im Griff hatten. Im nächsten Augenblick prasselten ukrainische Flüche wie Maschinengewehrsalven auf meine Peiniger nieder.
„Bringt sie zu mir“, sagte Cassandra und schien durch das Auftauchen eines riesigen, stinkwütenden Werwolfs in ihrem VIP-Raum nicht im Geringsten beunruhigt. „Es ist an der Zeit, dass wir einen echten Körper zur Demonstration unserer wahren Künste benutzen.“
„Fass sie an, und ich reiße dir die Arme aus dem Leib“, warnte Dmitri sie. Im nächsten Moment aber blitzte eine Messerklinge an seinem Hals auf, und Dmitri zischte mit zusammengepressten Lippen weitere Flüche. Der Barkeeper aus dem Tanzsaal hatte Dmitri jetzt im Griff und versetzte der Tür von innen einen Tritt, sodass sie zuflog.
„Tut mir leid wegen der Störung, Chefin. Ich hab gedacht, es wäre die übliche Schreierei hier hinten, aber da war der hier schon an der Tür …“
Na, spitze! Hilfeschreie waren also etwas absolut Normales in diesem Club. Verdammt, das hörte sich alles überhaupt nicht gut an.
„Lass mich los“, warnte Dmitri den Barkeeper, aber der lachte nur und drückte das Messer noch fester an Dmitris Hals, sodass ein dünner Blutfaden seine Kehle hinunterlief.
Ich wehrte mich mit allen Kräften gegen den Griff von Cassandras Handlangern, aber gegen drei entschlossene Bluthexen konnten auch die Kräfte der Wölfin in mir nicht das Geringste ausrichten. Sie rissen mir das Holster von der Schulter und gaben es Cassandra, die es mit einem angewiderten Gesichtsausdruck beiseitelegte. Dann schleppten sie mich zu ihr und ließen mich los. Ich schnappte nach Luft und war außer mir vor Wut, als wir uns von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden. Sie ergriff mein Kinn, aber ich riss sofort meinen Kopf zurück und nahm mit erhobenen Fäusten Kampfhaltung ein.
„Aber nicht doch, meine Liebe“, sagte sie. „Du bist so aufgeregt.“ Sie streckte ihre Arme nach mir aus – ganz langsam, als würde ich sie beißen wollen. Allzu viel fehlte dazu auch nicht mehr. Während sie mich mit ihren vollkommen schwarzen Augen fixierte, legte sie ihre Hände schließlich auf meine Schultern und sagte: „Beruhige dich, mein Kind.“
Meine Glieder wurden langsam schwer wie Blei, die Geräusche des Clubs verschwanden nach und nach, und Cassandras Gesicht wurde so groß, dass es nach kurzer Zeit mein gesamtes Blickfeld einnahm. Ein unbeschreibliches Wohlgefühl überkam mich, und es kam mir vor, als sei ich gerade in ein warmes Bad eingetaucht, in dem ich noch eine ganze Weile liegen könnte.
Plötzlich durchfuhr mich ein Zucken in der Magengegend, das sich zu einem schrecklichen Krampf ausweitete. Mit diesem ersten Anzeichen der unmittelbar bevorstehenden Wandlung kam nicht nur die Panik, sondern auch der Adrenalinstoß. Ich hob den Blick und sah Cassandras Gesichtsausdruck – sie schien verwirrt und zögerlich.
Mein erster Impuls war, sie anzugreifen und in Stücke zu reißen. Sie bluten zu lassen, weil sie geglaubt hatte, mich mit ihrem billigen Hypnoseblick auf die Bretter schicken zu können. Als ich aber die näher und näher rückenden Körper roch, die alle äußerst feindselig schienen, schob ich diesen Impuls beiseite. Mit einiger Anstrengung konnte ich wieder meinen benebelten und unterwürfigen Blick aufsetzen, sodass die Besorgnis aus Cassandras Gesicht schwand und sie stattdessen lächelte.
„So ist es gut, mein Kind. Komm her zu mir.“ Sie führte mich zu einem schweren Holzstuhl mit Plüschpolsterung und brachte mich dazu, mich so hineinzusetzen, dass meine entblößten Innenarme nach oben zeigten. Auf der anderen Seite des Raums stand Dmitri weiterhin bewegungslos mit dem Messer des Barkeepers an der Kehle, aber er schien schneller zu atmen.
Ein Albino mit rosafarbenen Pupillen und weißem Haar näherte sich Cassandra und reichte ihr ein schwarzes Lederetui mit Reißverschluss, das nicht viel größer war als ein Wörterbuch.
„Ich danke dir, Maven“,
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