Nocturne City 01 - Schattenwoelfe
gehen, ohne sicher zu sein, dass es dir gut geht. Er würde es dir schulden, meinte er.“
„Hex noch mal und zugenäht“, stöhnte ich und hielt mir die Hände vor die Augen. Das hatte mir noch gefehlt – mein ganz persönlicher Werwolf-Schutzengel!
Sunny zerrte meinen Seidenmorgenmantel aus dem Schrank und warf ihn mir zu. „Zieh den hier an, bevor du mit ihm sprichst. Der bringt deine Augen gut zur Geltung.“ Mit einem lauten Knall schlug sie die Tür zu und rief die Treppe hinunter: „Noch eine Tasse Tee, Mr Sandovsky, oder lieber noch einen Bagel?“
Beim Feuer der Hex Riots – Dmitri sitzt in unserem Wohnzimmer, und Sunny serviert ihm Frühstück! Hektisch zog ich mir den Morgenmantel über und schlich auf Zehenspitzen den Flur entlang, um einen Blick auf Dmitri zu werfen, bevor er mich mit meiner allmorgendlichen Chaosfrisur und der abgewetzten Jogginghose unter dem Mantel sehen konnte. Kaum hatte ich meinen Fuß auf die oberste Treppenstufe gesetzt, schoss sein Kopf hinter dem Geländer hervor, und seine geblähten Nasenflügel zeigten, dass er mich sofort gewittert hatte.
Ich gab also das Versteckspiel auf und begrüßte ihn stattdessen mit einem „Guten Morgen, Dmitri“.
„Selbst guten Morgen, Detective“, antwortete er und stellte die Teetasse auf den Couchtisch. „Schöne Wohnung hast du hier“, meinte er.
Es war das erste Mal, dass ich Dmitri bei Tageslicht sah. An seinen kantigen Wangenknochen und dem eckigen Kinn schien seine Haut fast lichtdurchlässig, und auch sein Haar wirkte im Sonnenschein anders; dunkler und eher kupferfarben als rot. Seine Augen blitzten allerdings immer noch in diesem unergründlichen Grün. Inmitten unseres Wohnzimmers mit all seinen flauschigen Girlie-Deko-Details, den Polstersofas und den geflochtenen Läufern wirkte Dmitri wie eine absolute Fehlbesetzung. Bei jedem seiner Schritte hinterließen seine Stiefel schwarze Abdrücke auf dem Parkettfußboden.
„Wie ich sehe, hast du dich schon etwas gestärkt“, sagte ich und deutete auf die Tasse und die Bagelreste auf dem Teller vor ihm. Mir war klar, dass das ein ganz schlechter Versuch eines lockereren Gesprächs war, aber was sagte man normalerweise zu einem hinreißenden Alpha-Werwolf, der einem gerade das Leben gerettet hatte?
„Yeah“, antwortete Sandovsky. „Hagebuttentee von deiner Cousine. Ziemlich gut eigentlich.“
„Solltest du tatsächlich die Wahrheit sagen, dann bist du der Erste, der ihren Tee wirklich mag“, bemerkte ich. In mir kam die Frage auf, was er nach dieser Nacht eigentlich noch in meinem Haus zu suchen hatte. Ein Mädchen einfach zu mögen, ist eine Sache. Sie verletzt mitten in der Nacht nach Hause zu bringen eine völlig andere. Dmitri hatte eine Grenze überschritten, und ich wusste nicht so recht, ob mir das wirklich gefiel. „Warum hast du mich hierher gebracht? Woher wusstest du überhaupt, wo ich wohne?“
„Ganz ruhig, Detective“, sagte er und hob beruhigend die Hand. „Die Adresse steht auf deinem Ausweis. Du hast heftig geblutet, und ich dachte nicht, dass du sonderlich scharf auf einen Haufen dummer Fragen im Krankenhaus sein würdest. Also hab ich deinen Arm in ein paar Handtücher gewickelt und bin hergefahren.“ Er zeigte durchs Fenster auf ein gedrungenes schwarzes Motorrad, das neben Sunnys Auto geparkt war. Ich stöhnte.
„Sag mir bitte nicht, dass du mich blutend und bewusstlos auf dem Rücksitz deines Motorrads hierher gefahren hast.“
Dmitri schaute mich mit einem Achselzucken an. „Ich wusste nicht, wo du dein Auto geparkt hast.“ Er griff nach seiner Jacke mit dem Wolfskopf-Logo und streifte sie über. „Ich sehe schon, Dankbarkeit scheint ein Fremdwort für dich zu sein. Ist wohl besser, wenn ich jetzt verschwinde.“
„Warte, warte“, rief ich ihm zu, als er schon in Richtung Tür unterwegs war. Er drehte sich um und schaute mich mit einer hochgezogenen Augenbraue fragend an. Als er da so stand, musste ich mir einfach eingestehen, dass Dmitri nachts zwar attraktiv, bei Tageslicht aber unwiderstehlich sexy war.
Schlimme Gedanken, Luna. Ganz schlimme Gedanken! Schuhe kaufen ist gestrichen!
„Du hast mir das Leben gerettet“, sagte ich. „Und ich weiß nicht, wie ich dir das danken kann, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass du von Anfang an nicht sonderlich kooperativ warst.“
„Von Anfang an? Von Anfang an bist du mir auf die Pelle gerückt, hast mich vor meinem Rudel beleidigt und versucht, mich zu verhaften“,
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