Nocturne City 01 - Schattenwoelfe
Partner zusammen zu sein, und dann wird dir derjenige ohne Vorwarnung einfach weggerissen.“
„Woher willst du wissen, dass ich es mir nicht vorstellen kann?“, fragte ich leise.
Dmitri stieß ein Lachen hervor. „Ich weiß es ganz einfach, Detective.“
Nach diesem Kommentar hatte ich keine Ahnung, ob ich geschmeichelt sein sollte, weil Dmitri endlich seinen Schutzschild hatte fallen lassen, oder eher beleidigt, weil er immer noch auf meinem Status als Insoli herumritt. Als ob ich nicht wissen würde, was es hieß, seinen Partner zu verlieren. Natürlich wusste ich es. Ich war selbst so ein Partner gewesen. Der Verlust nach dem Biss, als ich Joshua verlassen hatte, hatte mehrere Jahre an mir genagt. Es war wie ein physisches Verlangen, das ich weder verstehen noch einordnen konnte und das erst verschwand, als ich mit dem Trinken aufhörte, meinen Abschluss machte und zur Polizeiakademie ging.
Der Auftritt von Cassandra LaVey bewahrte mich davor, diesen Gedanken weiterzuspinnen. Ein Lichtkegel erhellte die kleine Bühne am anderen Ende des Clubs und beleuchtete eine komplett in Schwarz gekleidete Frau. Haare, Make-up, Kleid und sogar die Boots mit den mindestens zehn Zentimeter hohen Absätzen waren tiefschwarz. Aus der Entfernung sah Cassandra so aus, als würde sie das Licht der Umgebung in sich aufsaugen, und ihr blasses, dreieckiges Gesicht schien über dem hochgeschlossenen schwarzen Kragen ihres Kleids zu schweben.
Sie hob die Arme über ihren Kopf, und als dabei die weit ausladenden Ärmel ihres Kleids zurückfielen, entblößten sie zwei Arme, die so stark vernarbt waren, dass sich alle Augen auf sie richteten.
„Guten Abend, meine Kinder.“
Die Menge schien sich nicht nur in ihrem schlechten Kleidungsstil, sondern auch in ihrer Zuneigung zu Cassandra einig zu sein, und johlte los, als sie die Hausherrin auf der Bühne erblickte.
„Freakshow“, brummte Dmitri, und ich stimmte ihm fast vorbehaltlos zu.
„Heute Nacht schneiden wir das Fleisch und vergießen das Blut“, verkündete Cassandra mit erhobenen Armen. „Wer wird der Erste sein?“
Das Toben der Masse fegte über die Bühne hinweg, und Cassandra drehte sich noch einmal entzückt im Kreis, bevor sie ihrem Gefolge zurief: „Auf dass der Wandel des Fleisches beginnen möge!“
Die Lichter des Clubs wurden gedimmt, und durch die Lautsprecher dröhnte plötzlich diese Instrumentalmusik mit dem pulsierenden Rhythmus, die schon angesagt gewesen war, als ich noch mehr als die gemeinhin schickliche Anzahl an Ohrringen trug und die Nächte auf derartigen Partys durchmachte. Im abgedunkelten Licht konnte ich gerade noch erkennen, wie sich Cassandra durch eine schwarze Hintertür von der Bühne schlich – es sah eigenartig aus und passte gar nicht zu der Filigranität und dem Glamour ihres Auftritts.
Ich stieß Dmitri an. „Ich muss mit Cassandra sprechen! Warte hierauf mich!“
Er brüllte irgendetwas zurück, das wegen der lauten Musik absolut unverständlich und für mein sensibles Gehör fast schmerzhaft war. Als ich, ohne zu antworten, weiter in Richtung Bühne ging, drehte er sich zur Bar, um sich eine weitere Flasche seines Lieblingsgebräus zu genehmigen.
Ich schlängelte mich vorsichtig durch die tanzenden Körper, um mich nicht in den Accessoires eines der schwarz gekleideten Nachtschwärmer zu verfangen. Am anderen Ende des Clubs angekommen, klopfte ich an die schwarze Bühnentür, auf der in großen Schnörkelbuchstaben VIP stand. Ach du liebes bisschen, dachte ich bei mir. Was hinter dieser Tür wohl ablaufen würde?
Die Tür öffnete sich einen Spalt, und ein blaues Auge lugte heraus. Das leichenblasse Gesicht wurde von zotteligem blondem Haar und zwei Zöpfen eingerahmt und kam mir seltsam bekannt vor …
„Kindred?“, sagte ich perplex.
Ihr Auge vergrößerte sich. „Du? Hier?“, stammelte sie überrascht.
Noch bevor der Moment der Verwirrung nachließ und sie sich richtig erinnern konnte, wer ich eigentlich war, drückte ich die Tür auf und schlüpfte hinein. Die Tür war schwerer, als sie aussah, und fiel mit einem Klicken hinter mir zu.
„Oh, kacke“, sagte Kindred mit einem tiefen Seufzer. „Du solltest wirklich nicht hier sein. Cassandra und Maven werden mich umbringen.“ Sie trug zwar eine leichte Variation des weißen Für-einen-Fuffi-mach-ich-die-ganz-schmutzigen-Sachen-Latex-Outfits, in dem ich sie kennengelernt hatte, aber die monotone Stimme und das ausdruckslose Gesicht waren noch genau
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