Nocturne City 01 - Schattenwoelfe
zu verdienen, was?“, meinte ich.
Schon schüttelte er den Kopf. „Das ist nicht meins.“
„Sie sind hiermit festgenommen, Sie Volltrottel. Umdrehen und Hände auf den Tisch.“ Ich ratterte den Spruch zum Aussageverweigerungsrecht herunter und legte ihm die Handschellen an.
„Sie machen einen Fehler!“, schrie er mich an. „Ich hab Katya nichts von dem Zeug gegeben! Das war was anderes! Ampullen und Nadeln!“
Ich ließ die Handschellen um seine Gelenke zuschnappen und drehte ihn um. „Nadeln?“
„Ja!“, sagte er und erblickte anscheinend ein erstes Fünkchen Hoffnung an diesem Tag, der so überaus mies für ihn begonnen hatte. „Keine von diesen wiederverwendbaren Junkienadeln. Chirurgische Nadeln zur einmaligen Verwendung. Hatten sogar einen Stempel.“
Ich schloss die Augen und atmete tief ein. Bei der Autopsie würden Dr. Kronen und sein Team also das Beruhigungsmittel Diazepam finden, das mein Mörder benutzte, um seine Opfer ruhig und gefügig zu halten, während er sie in Stücke riss.
„Haben Sie ihren Freier gesehen, Ernest?“
Sein Kinn war auf seine Brust gesunken, und er machte einen äußerst niedergeschlagenen Eindruck. „Nein. Von dieser Seite des Geschäfts halte ich so viel Abstand wie möglich, Ma’am.“
„Wurde Katya in den letzten Tagen von irgendjemandem belästigt? Vielleicht von einem jungen Mann mit so blonden Haaren wie Sie?“ Ein Versuch war es wert. Stephen Duncan war vielleicht nicht der Täter, aber er wusste eine ganze Menge. Vielleicht war es ja das Zusehen, was ihn anmachte.
„Nein, Ma’am.“
Ernest war nicht gerade das, was ich einen hilfreichen Zeugen nennen würde. „Der Officer hier wird Ihre Aussage aufnehmen“, sagte ich und übergab ihn an Thorpe. „Sie werden nur eine Anzeige wegen Drogenbesitzes mit Handelsabsicht bekommen und können verdammt froh sein, wenn es dabei bleibt.“
„Ja, Ma’am“, sagte er abschließend.
„Ach hören Sie doch endlich mit diesem Ma'am-Schmus auf! Veräppeln kann ich mich auch allein“, erwiderte ich.
Thorpe schob Copperfield in Richtung Ausgang, wodurch ich allein mit der Leiche war. Ich tastete nach dem zusammengerollten Paar Gummihandschuhe, das ich im Dienst immer in der Tasche trug, und zog sie über, bevor ich die Tür zur Umkleide aufdrückte.
Als ich den Raum betrat, fielen mir neben den Unmengen an herumliegenden persönlichen Gegenständen jede Menge billige Glamour-Deko-Details ins Auge – alles glitzerte und schien mit Spitzen besetzt zu sein. Dazu kamen klischeehafte Stripper-Kostüme aus PVC – Schulmädchen, Dienstmädchen und fiese Polizistin hatte Katya im Angebot gehabt. Das Zimmer wurde durch ein aufklappbares Bett in der Ecke komplettiert, auf dem geschmacklose Nylonlaken dem Gast anscheinend Seidenbettwäsche vorgaukeln sollten. Ein illegales Bordell, das jemand stilvoll einzurichten versucht hatte – wie rührend.
Wie die anderen Mädchen auch lag Katya mit angewinkelten Beinen auf dem Rücken. Der Halsbereich um die Kehle war aufgeschnitten oder aufgerissen worden, aber im Gegensatz zu Lilia waren an Katyas Armen und Händen keinerlei Abwehrverletzungen zu finden. Allerdings war auch ihr Finger sauber abgetrennt worden. Offensichtlich wurde der Mörder besser bei der Dosierung der Drogen.
Die Luft um die Leiche schien elektrisiert, als hätte an meiner Stelle vor Kurzem noch etwas sehr Böses über der Leiche gestanden. Ich hob meinen Kopf und versuchte, unter dem Geruch von Blut, Tod und Parfüm etwas Ungewöhnliches zu finden. Die Luft an sich roch leicht verbrannt wie nach einem Blitzeinschlag, aber nicht so sehr wie in der Gasse und auch nicht so wie in dem stinkenden Hotelzimmer im Raven. Dieses Mal hatte der Mörder schalten und walten können, wie er wollte. Alles schien nach Plan gelaufen zu sein. Die Raserei war verschwunden. Sie war durch eine Kälte ersetzt worden, die weitaus Angst einflößender war.
Ich berührte Katyas Körper – den nackten Torso und die kleinen, rauen Hände, die von einem früheren Leben zeugten, in dem sie sich nicht jeden Abend um eine Stripstange hatten schlingen müssen. Die Leiche wies nicht nur weniger Schnitte an Hals und Brustkörper auf als bei den anderen Mädchen, die Schnitte waren auch weniger blutverschmiert. Anscheinend waren sie mit ruhigerer Hand geführt worden. Bei ihrem Anblick runzelte ich die Stirn, denn sie sahen fast so aus, als stammten sie von einem Chirurgen und hatten nichts mit den in offensichtlicher Raserei
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