Nocturne City 01 - Schattenwoelfe
Wilder. Ich leite die Ermittlungen in diesem Fall“, erklärte ich. „Warum erzählen Sie mir nicht einfach, was Sie wissen?“
„Ernest Copperfield ist mein Name, Ma’am. Ich würde Ihnen ja gern die Hand schütteln, aber …“ Er zeigte mir seine blutverschmierten Handflächen, und sofort durchzuckte mich die Erinnerung an meinen widerlichen Traum. Ich hob meine schweißnasse Hand hoch und strich reflexartig über meine Bisswunde.
„Sie haben sie also gefunden“, sagte ich. Copperfield senkte den Blick und nickte kurz.
„Ja, Ma’am. Ich habe fünf Jahre als Pfleger in der Unfallaufnahme gearbeitet, aber so was wie da drinnen habe ich noch nie gesehen.“
„Unfallaufnahme? Entschuldigen Sie, wenn ich so direkt frage, aber was, zum Teufel, treiben Sie dann als Türsteher in dieser schäbigen Stripbar?“
„Ich hatte ein kleines Problem mit den Medikamenten“, antwortete Copperfield. „Darf deswegen nicht mehr im Krankenhaus arbeiten.“
„Sind Sie jetzt clean?“
Er nickte erneut. „Ja, Ma’am. Mein Bewährungshelfer lässt mich einmal im Monat zur Urinprobe antreten. Muss also clean sein.“
Großartig, ein verurteilter Ex-Junkie findet die Leiche! Ich musste eine vollkommene Idiotin sein, wenn ich ihn nicht sofort auf Platz eins der Verdächtigenliste setzen würde.
„Okay, Ernest“, sagte ich. „Wir beide werden jetzt reingehen, und Sie erklären mir dann haargenau, was bis zu dem Zeitpunkt passiert ist, als sie das Opfer gefunden haben.“
„Katya“, sagte er. Ich drehte mich zu ihm um.
„Was haben Sie gesagt?“
„Das ist ihr Name. Katya irgendwas. Einer dieser Namen mit ski am Ende. Wie Polanski. Aber Polanski war es nicht.“
Ich schnippte mit meinem Finger in Richtung Thorpe, der mit besorgtem Gesichtsausdruck gerade weit genug weg stand, um mein Gespräch mit Copperfield nicht hören zu können. „Rufen Sie die Einwanderungsbehörde an, und finden Sie heraus, ob die Ermordete hier legal gemeldet war.“
Das würde sie natürlich nicht sein. Warum sonst sollte sie in einem Schuppen wie diesem arbeiten und zur perfekten Zielscheibe für einen Mord werden?
Ich wandte mich wieder Ernest zu. „Wissen Sie, woher sie stammte?“
Er zuckte die Achseln. „Tut mir leid, Detective … ich passe nur auf, dass die Kunden nicht aufdringlich werden und die Mädchen keine Trinkgelder unterschlagen oder Alkohol klauen. Persönliche Unterhaltungen mit den Girls sind mir nicht erlaubt.“
„Und wie ich Sie einschätze, sind Sie ein Musterangestellter, der sich stets an die Regeln hält, was?“, sagte ich. „Okay, lassen Sie uns reingehen.“
Er scharrte mit den Füßen auf dem Boden. „Muss ich da wirklich rein, Ma’am? Wenn es nach mir ginge, würde ich den Anblick lieber vermeiden.“
Ich schaute in seine angenehm braunen Augen und sein gut aussehendes Lausbubengesicht. „Ernest“, sagte ich. „Sie würden mir damit einen Riesengefallen tun, und ich bin mir sicher, es wäre auch in Katyas Interesse.“
Er zuckte kurz zusammen, und ich sah meine Annahme bestätigt, dass seine Bemerkung über die nicht geführten persönlichen Gespräche mit den Mädchen nichts weiter war als Bockmist.
„Gehen Sie voran, Detective“, sagte er leise zu mir.
Die Innenausstattung des Double Trouble war eher spärlich. Klobige Sitzgelegenheiten aus Holz, die aussahen, als hätte man sie direkt aus einer Bowlingbahn gerissen, waren um die mickrige Bühne mit der obligatorischen Stripstange arrangiert. Entlang der Bühnenkante hatte man rosafarbene Lichterketten genagelt, die fröhlich vor sich hin blinkten, den Uniformierten vor dem Eingang zur Umkleide aber sichtlich unbeeindruckt ließen. Ansonsten war der Club wie leer gefegt. Eigentlich hätten sich hier die Leute von der Spurensicherung mit Rettungssanitätern die Klinke in die Hand geben sollen, aber stattdessen wirkte das Double Trouble wie die geschmacklos eingerichtete, menschenleere Empfangshalle eines Beerdigungsinstituts.
„Hier habe ich angefangen“, sagte Ernest. „Ich hatte den Dienst am Schichtende, also bin ich der Letzte gewesen. Sie wissen ja, was das heißt … Bar schließen, checken, ob die Hintertüren, die Küche und der Eingang verschlossen sind, Lichter ausschalten und so weiter.“
„Wie spät war es da?“, fragte ich ihn.
„So ungefähr sechs Uhr morgens“, antwortete er. Ich blickte auf meine Uhr. Es war fast elf.
„Ernest, wie lange haben Sie gewartet, um die Polizei zu rufen?“
Er wich meinem
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