Nocturne City 02 - Blutfehde
impulsive, permanent schlecht gelaunte und shoppingsüchtige Cousine Luna Wilder weitergehen.
Der Verzweiflung nahe, legte ich die Hände auf meine brennenden Augen. Der Schmerz erinnerte mich daran, dass ich seit mindestens vierundzwanzig Stunden nicht geschlafen hatte. „Hex noch mal! Das war s dann wohl. Ich bin geliefert.“
„Nur die Magie eines Dämons kann eine Vergiftung durch Dämonenblut wieder rückgängig machen“, erklärte Sunny. „Falls du also einen Blutzauber in petto hast und einen Dämon herbeirufen kannst, solltest du das tun, ansonsten …“
Selbst wenn mir tausend wütende Werwölfe an den Kragen gewollt hätten, wäre diese Option nicht infrage gekommen. Und selbst wenn, wäre das Vorhaben spätestens daran gescheitert, dass Asmodeus selten dann auftauchte, wenn er gerufen wurde. Genauer gesagt, war der Typ nie zur Stelle, wenn ich ihn brauchte. Vielleicht hätte ich mir beizeiten eine Art Hundepfeife für Dämonen zulegen sollen.
„Danke für deine Hilfe“, murmelte ich und legte meinen müden Kopf auf den Tisch. Ich wollte einfach nur noch schlafen – so etwa einen Monat lang – und beim Aufwachen merken, dass alles ein schrecklicher Albtraum gewesen war.
Sunny stand auf und klopfte mir auf die Schulter. „Keine Sorge, Luna, wir lassen uns was einfallen. Ich werde mal ein wenig in Rhodas Bibliothek recherchieren.“
„Meinst du, es bringt was, wenn ich den Bibliothekskatalog der Uni als Opfergabe für die Recherchegötter verbrenne?“, nuschelte ich in einer Mischung aus Verzweiflung und Sarkasmus.
Nachdem Sunny mit ihrem Cabrio davongefahren war, holte ich mein Handy und wählte Dmitris Nummer, die noch aus vergangenen Tagen in mein Gedächtnis eingebrannt war. Wie jede betrogene Frau hatte ich nach unserer Trennung in einem Anfall ohnmächtiger Wut nicht nur seine Nummer, sondern auch seine einzige E-Mail unwiederbringlich gelöscht. Leider konnte ich die Festplatte in meinem Schädel nicht so einfach von Dmitris Spuren befreien.
Beim ersten Mal wartete ich nicht einmal das erste Klingeln ab, sondern klappte das Handy sofort wieder zu. Beim nächsten Versuch schaffte ich es immerhin bis zum zweiten Klingeln, aber auch dann legte ich wieder panisch auf.
„Reiß dich zusammen, du bist keine vierzehn mehr!“, ermahnte ich mich, als ich die Nummer zum dritten Mal wählte. Diesmal gab ich Dmitri genug Zeit, um den Anruf anzunehmen.
„Ja?“, meldete sich die wohlvertraute Stimme, aber anstatt zu antworten, schwieg ich und dachte krampfhaft darüber nach, was ich ihm sagen sollte.
Hey, deine ukrainische Sexpuppe war gerade hier und wollte mir an die Gurgel. Jetzt muss ich dich heilen. Oder: Hallo, wie geht's? Kannst du dich eigentlich noch an den Dämonenbiss von Stephen Duncan erinnern? Wenn ja, sollten wir reden. Oder: Grüß dich, Dmitri, hier ist deine verrückte Ex, Luna. Ich wollte dir nur mitteilen, dass ich das Dämonengift aus deinem Blut filtern muss, andernfalls verarbeitet mich dein Rudel zu Werwolffutter.
„Luna, ich weiß, dass du es bist. Deine Nummer steht auf meinem Display“, sagte Dmitri genervt. Sofort schoss mir die Schamesröte ins Gesicht, und ich ließ das Handy zuschnappen. Es war unglaublich … nach allem, was wir gemeinsam durchgemacht hatten, war ich jetzt nicht einmal mehr imstande, ein einfaches Telefongespräch mit ihm zu führen. Peinlicher konnte es kaum noch werden. Aber was hätte ich ihm auch sagen sollen? Diese ganze Geschichte mit Irina war genauso absurd wie mein selbstmörderischer Deal mit den Ältesten.
Das Einzige, was mir noch immer nicht egal war, war Dmitri. Er bedeutete mir nach wie vor alles …
Empört darüber, in welche Niederungen ich mich als erwachsene Frau wegen einer enttäuschten Liebe begab, holte ich mir den Scotch und fing an, mich volllaufen zu lassen. Seit meinem Eintritt ins NCPD hatte ich keinen Alkohol mehr angerührt, und nun hoffte ich gegen besseres Wissen, mir die hässliche Realität schön saufen zu können. Als ich kurze Zeit später die Treppe hinaufstolperte und in mein Bett fiel, hatte sich nichts verändert. Ich war immer noch dieselbe Luna Wilder – eine unglücklich verliebte, um Job und Leben fürchtende, absolut erbärmliche Kreatur.
24
Ein unerträgliches Trommeln weckte mich. Es dauerte einen Moment, bis ich realisierte, dass es in meinem eigenen Schädel so laut hämmerte, als würde gerade ein Spielmannszug seine Generalprobe darin abhalten. Die Sonne war bereits
Weitere Kostenlose Bücher