Nocturne City 02 - Blutfehde
etwas von ihm wollte.
In derartigen Situationen bringt es fast gar nichts, ein Werwolf zu sein. Ich konnte weder meine Muskeln spielen lassen noch meine Werwolfsinne einsetzen – außer zu unzähligen Gerichtsvorladungen und der Gewissheit, dass er dringend eine Dusche brauchte, hätten sie mir im Moment leider nicht verholfen.
„Sind wir hier fertig? Um sechs läuft Big Brother, und das würde ich nur ungern verpassen.“
Für einen kurzen Moment hätte ich die rechtlichen Konsequenzen fast in Kauf genommen, um Samael mal etwas Respekt einprügeln zu können, aber dann kam mir eine bessere Idee. Obwohl einige Kollegen anders darüber dachten, hatte ich meine Marke nicht etwa bekommen, um die Frauenquote im NCPD zu erhöhen, sondern weil ich eine verdammt gute Menschenkenntnis besaß. Wenn ich in meinem Leben etwas vor der Polizeiakademie gelernt hatte, dann dass jeder Mensch Ängste hatte – und die von Samael kannte ich.
„Ich mache Ihnen einen Vorschlag“, teilte ich ihm mit vergnügter Stimme mit. „Entweder Sie kooperieren, oder ich lasse Sie aus diesem Wohlfühlknast, in dem Ihnen Ihre Knacki-Kollegen die Schuhe putzen, in die Psychiatrische Klinik von Cedar Hill verlegen. Da kriegen Sie dann Haloperidol, bis Ihnen der Sabber in Strömen aus den Mundwinkeln läuft, und werden den lieben langen Tag ans Bett geschnallt.“ Mit einem breiten Grinsen ließ ich ihn wissen, wie sehr ich diese Vorstellung genoss. „Vielleicht verpasst man Ihnen auch einen Katheter, dann müssen Sie nie wieder aufstehen.“
Auch wenn Samael nicht für eine Sekunde das Gesicht verzog, bemerkte ich doch an dem glänzenden Schweißfilm auf seiner Stirn, dass ihn meine Drohung in Panik versetzte.
„Ach, verflixt!“, rief ich aus und schnippte mit den Fingern. „Ich habe ja ganz vergessen, dass Sie nicht so wirklich auf Fessel -spiele abfahren, richtig?“
„Was wollen Sie?“, murrte Samael, der bei meinen Worten zur Salzsäule erstarrt war.
„Wie bitte? Ich glaube, ich habe Sie nicht so recht verstanden.“
Wütend schlug Samael mit der Faust auf den Tisch und schrie mich an: „Was wollen Sie von mir, verdammt noch mal?“
„Na, na, na, wer wird denn gleich aus der Haut fahren, mein Lieber“, sagte ich sarkastisch und schlug mit einer affektierten Bewegung die Beine übereinander. „Ich will nur, dass Sie mir die Wahrheit erzählen, Arthur.“
Er zuckte zusammen und überlegte einen Moment. „Sie wollen also, dass ich das große Geheimnis ausplaudere, wie? Da muss ich Sie aber enttäuschen, Detective, denn es gab weder einen mysteriösen Anruf noch einen mit Blut geschriebenen Brief! Vincent ist einfach nur ein dummer Junge gewesen, der sich mit den falschen Leuten angelegt hat. Selbst schuld, dass die ihn umgelegt haben. Das ist die ganze Geschichte, und wenn Sie was anderes wollen, müssen Sie ins Kino gehen.“
„Wenn Sie nicht gleich Klartext reden, tackere ich Ihnen den Buchdeckel von Ulysses an die Stirn. Ihr nebulöses Geschwafel erinnert mich nämlich verdammt an James Joyce“, ranzte ich ihn an. „Welche Leute? Was hat Vincent getan?“
Samael lachte. „Sie sollten eher fragen, was er nicht getan hat! Überlegen Sie doch mal: Er war Angestellter in einem Sexclub. Viele reiche Leute haben ihn besucht. Alle hatten ihn schrecklich gern. Die langweiligen Details überlasse ich Ihrer Fantasie.“
„Wo hat er die Fotos versteckt?“
Samael blinzelte mich nervös an. Anscheinend hatte er damit gerechnet, die Geschichte mit den Erpressungen als Trumpfkarte einsetzen zu können.
„Überrascht?“, fragte ich mit einem souveränen Lächeln. „Und wenn wir schon mal dabei sind, können Sie mir auch gleich sagen, welcher reiche Perversling die Idee mit den Fotos nicht so toll fand und ihn umgebracht hat. Würde mir ’ne Menge Arbeit ersparen.“
Samael brauchte eine Weile, um wieder seine undurchschaubare Visage aufzusetzen. „Verdammte Scheiße, ich weiß es nicht. Ich verdiene mehr als genug damit, meinen Kunden Schmerzen zuzufügen. Diesen Erpressungsquatsch hatte ich nie nötig.“
„Sie können sich gar nicht vorstellen, wie gut es tut, unter dem ganzen Gesindel mal einen aufrichtigen und hart arbeitenden Einzelunternehmer wie Sie zu treffen, Arthur“, sagte ich abschließend. Dann gab ich dem Wärter Bescheid, dass er Samael wieder in seinen Zellenblock bringen könne.
„Kommen Sie doch mal im Club vorbei, wenn ich wieder draußen bin, Detective.“
„So viele Gummihandschuhe, wie ich
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