Nocturne City 02 - Blutfehde
Berührung des Casters löste ein ekelhaftes Kribbeln auf meiner Haut aus, das ich erst durch heftiges Händereiben wieder loswurde. Es war ein äußerst unangenehmes, mir aber wohlbekanntes Gefühl, das mich seit jeher wie ein Abwehrreflex beim Kontakt mit Magie oder magischen Gegenständen überkam. „Entschuldigen Sie bitte das unhöfliche Verhalten von Detective O’Halloran, Mr Blackburn.“
„Schon gut“, murrte der Alte und starrte uns einen Augenblick lang an. Er roch auf eigenartige Weise nach Holzkohle, und seine Augen waren fast vollständig schwarz. Nur an ihren Rändern ließ sich eine hellere Farbe erahnen. Blackburn hatte sein gesamtes Leben der Schwarzmagie gewidmet und sah wahrscheinlich des halb so zerschlissen aus, weil die dunklen Mächte seiner Zauber nach und nach das letzte bisschen Menschlichkeit aus seinem Antlitz gesogen hatten.
„Sie könnte ihn ja doch nicht benutzen“, meinte er schließlich, während sich sein runzeliger Mund zu einem süffisanten Lächeln verformte. Zu Shelby gewandt fuhr er fort: „Was da in Ihren Adern fließt, ist nichts weiter als rot gefärbtes Wasser -kraftlos und schwach. Traurige Sache eigentlich. All der Inzest in Ihrer Familie, und trotzdem bringen die O’Hallorans keine magisch begabten Kinder zustande. Vielleicht hat Ihre Sippschaft das mit der Geschwisterliebe ja etwas übertrieben.“
„Sie mieses Dreckstück!“, fauchte Shelby und stürzte auf Blackburn zu. Sofort ließ ich meinen Arm nach vorn schnellen und versperrte ihr den Weg wie die Eisenstange an einem Drehkreuz.
„Mr Blackburn, wir müssen mit Ihnen über Vincent sprechen“, sagte ich.
Seine Lippen kräuselten sich verärgert, und seine Grimasse rutschte in ein verzagtes Lächeln ab. „Was hat mein unwürdiger Sohn nun wieder angestellt? Ist er in Schwierigkeiten?“
„Ich fürchte schon“, erwiderte ich. „Mr Blackburn … äh …“
„Victor, nennen Sie mich doch bitte Victor“, bat er noch immer höflich lächelnd.
„Nun gut, Victor …“, begann ich erneut nach Worten zu suchen, „… Ihr Sohn ist tot.“
Zuerst war in seinen Zügen keine Regung festzustellen, aber dann verschwand das oberflächliche Lächeln aus seinem Gesicht, und sein Körper schwankte, als habe ihm jemand einen Ziegelstein über den Schädel gedroschen. Langsam erschienen farbige Flecken auf seinen fahlen Wangen, während er mit der Hand suchend nach den Briefkästen tastete.
„Victor?“, sprach ich ihn an und bereitete mich schon darauf vor, ihn auffangen zu müssen, falls er gleich ohnmächtig zusammensacken sollte. Sein zierlicher Körper wirkte so instabil, als würde eine leichte Brise genügen, um ihn zu Boden zu werfen.
„Wie ist es passiert?“, flüsterte er und ballte dabei so heftig die Fäuste, dass seine Fingerknöchel weiß wurden.
„Die offizielle Todesursache steht noch nicht fest“, begann ich, aber Victor unterbrach mich, indem er sich mit dem Daumen quer über die Kehle fuhr und mit erregter Stimme fragte: „Ist er ermordet worden?“
„Mr Blackburn, ich kann wirklich nicht …“
„Ist er ermordet worden?“, brüllte Victor Blackburn noch einmal, während er blitzschnell die nächstbeste Vase vom Regal griff und sie quer durch den Raum schleuderte. Ohne zu antworten, sah ich zu, wie eine dunkle, klebrige Flüssigkeit langsam an der Wand herunterlief.
Erst das leise Geräusch tippelnder Schritte, das vom Flur zu kommen schien, unterbrach unser Schweigen. Einen Augenblick später steckte eine weibliche Version von Vincent Blackburn im Teenager-Alter den Kopf durch die Tür. „Alles in Ordnung bei dir, Daddy?“, fragte das Mädchen und schreckte mit weit aufgerissenen Augen zurück, als es Shelby und mich bemerkte.
Beim Anblick seiner Tochter richtete sich Blackburn wieder auf und presste die Lippen zusammen. Es war offensichtlich, dass er große Mühe hatte, die in ihm rasende Wut zurückzuhalten. „Detectives, das ist meine Tochter Valerie. Valerie, das sind die Detectives O’Halloran und …?“
„Wilder“, sagte ich leise und streckte dem Mädchen die Hand entgegen. „Freut mich, dich kennenzulernen.“
Valerie machte keine Anstalten, meine Hand zu ergreifen, sondern blickte uns nur mit wachsender Unruhe in den Augen an. „Daddy, was ist hier eigentlich los?“.
Blackburn vergrub sein Gesicht in den Händen und ließ sich erschöpft in einen Sessel fallen.
„Ms Blackburn … äh … ich fürchte, ich habe schlechte Nachrichten …“, begann ich
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