Nocturne City 02 - Blutfehde
wirst dir wahrscheinlich nie eingestehen können, dass du auch eine Teilschuld an der ganzen Sache trägst.“
„Wow, du scheinst ja das gleiche Psycho-Blablabla-Handbuch gelesen zu haben wie meine geliebte Frau Dr. Merriman“, fauchte ich.
Sunny aber winkte nur ab. „Fang gar nicht erst an, Luna! Wenn du sauer auf die Welt bist, reagier deinen Ärger lieber an einem Sandsack ab.“
Nach drei Monaten ohne Streit und Zankerei hatte ich fast vergessen, dass meine Cousine absolut immun gegen meine Ekeltour war, was mich jetzt nur noch mehr in Fahrt brachte. Von ihrer äußerlichen Gelassenheit angespornt, stichelte ich weiter: „Und, wie läuft das Leben so im Pfefferkuchenhaus der alten Hexe?“
„Na, immerhin ist bis jetzt noch niemand eingebrochen oder hat versucht, uns zu töten“, entgegnete Sunny leise.
Auf diese Bemerkung war ich nicht gefasst gewesen. Leicht beschämt setzte ich mich auf das Sofa und tat so, als würde ich meine Fingernägel säubern, um Sunny nicht die Genugtuung zu geben, dass sie mich gerade kalt erwischt hatte.
„Du hast die Wohnung ja ganz gut in Schuss gehalten“, brach sie schließlich das quälende Schweigen und sah sich um. „Zumindest sind die Möbel alle noch intakt. Wie kommst du mit deinen Phasen klar?“
„Gut“, antwortete ich knapp, denn ich konnte es nicht ausstehen, wenn sie trotz der offensichtlichen Spannungen zwischen uns einfach so zum Small Talk überging. Andererseits war ich aber auch zu erschöpft, um mich ernsthaft mit ihr auseinandersetzen zu wollen. „Es ist ganz gut gelaufen in den letzten Monaten. Mit dem Tattoo, der Silberkette und dem Anhänger hab ich es weitestgehend im Griff gehabt.“
Sunny nickte. „Freut mich zu hören. Du weißt ja, dass du mich jederzeit anrufen kannst, wenn du Hilfe brauchst.“
„Bist du etwa nicht mehr davon besessen, mich zu heilen?“, wollte ich mit einem dünnen Lächeln wissen. Sunny schüttelte den Kopf.
„Spätestens beim Tod von Duncan hast du dich bewusst gegen diese Möglichkeit entschieden, Luna. Es war mehr als offensichtlich, dass dich der ständige Kampf gegen die Wandlungen über kurz oder lang umgebracht hätte. Tut mir leid, dass ich diesbezüglich so unnachgiebig gewesen bin.“
Und mir tut es leid, dass du mich mit dem ganzen Mist allein gelassen hast, dachte ich im ersten Moment, aber dann sagte ich beim Aufstehen: „Schwamm drüber, Sunny!“ Ihrem strahlenden Lächeln nach zu urteilen, war sie froh darüber, dass ich ihre Entschuldigung angenommen hatte.
„Wenn’s dir nichts ausmacht, würde ich mich jetzt gern etwas hinlegen. Ich bin nämlich ziemlich im Eimer, und morgen muss ich mit meinem neuen Partner eine Fetischbar besuchen. Da muss ich fit sein“, fügte ich gähnend hinzu.
„Partner?“, hakte Sunny nach. „Das ist ja mal was! Wer ist er denn?“
„Der er ist eine sie. Shelby O’Halloran, die kleine Hexe“, antwortete ich.
„O’Halloran?“ Sunnys Augen leuchteten auf. „Etwa von den O’Hallorans? Luna, das ist ja großartig!“
„Großartig ist zwar nicht das Adjektiv, das ich jetzt benutzt hätte, aber ja, sie ist schon eine ganz besondere Marke.“
„Kann ich sie vielleicht mal kennenlernen?“, drängelte Sunny. „Das wäre echt fantastisch. Die O’Hallorans sind quasi die Kennedys unter den Magiern.“
„Echt? Gibt’s bei denen etwa auch so viele Skandale um Alk, Pillen und Huren wie bei den echten Kennedys?“, spottete ich, woraufhin Sunny die Augen verdrehte.
„Du kannst sie doch nur nicht leiden, weil du auf alles komisch reagierst, was mit Magie zu tun hat.“
„Ich reagiere doch nicht komisch] Es ist einfach nur ein gut ausgeprägter Instinkt, der mich vor etwas bewahrt, das mich zu töten versucht, sobald ich ihm zu nahe komme.“ Magie war für mich wie Kryptonit für Superman – abgesehen davon, dass ich sie weder anwenden noch ausstehen konnte, wurde mir regelmäßig speiübel davon. Als Teenager war die Erkenntnis, dass man in Sachen Magie nichts mit mir anfangen konnte, die erste in einer langen Reihe von bitteren Enttäuschungen gewesen, die ich meiner Mutter und meiner Großmutter bereitet hatte. Während andere ihre alten Herrschaften mit selbst gestochenen Nasen-Piercings, ungewollten Schwangerschaften und schlechten Schulnoten zur Verzweiflung brachten, hatte ich, ohne es zu wollen, durch meine magische Unfähigkeit für Groll und Verbitterung bei meiner Familie gesorgt.
„Warum arbeitet eine O’Halloran eigentlich als
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