Nocturne City 02 - Blutfehde
bedeutete ich ihr, sich zusammenzunehmen, da unsere Tarnung vollkommen aufzufliegen drohte.
„Mark, vielleicht können Sie uns helfen“, tastete ich mich behutsam vor.
„Was auch immer Sie verlangen, Miss“, antwortete er, während er sich beim Aufstehen die Hose abputzte.
„Wir suchen nach Samael. Er arbeitet doch hier, nicht wahr?“
Ein kurzer Schatten glitt über Marks Gesicht, den er aber mit einem Blinzeln und seinem bezaubernden Lächeln sofort wieder verschwinden ließ. „Für einen Neuling gehen Sie aber gleich aufs Ganze“, begann Mark, und ich ahnte bereits, was er uns damit sagen wollte. „Samael wird nur für private VIP-Verabredungen gebucht und hat für die nächsten Monate keine freien Termine mehr anzubieten. Wenn Sie aber an einer persönlichen Betreuung interessiert sind, können Sie sich jederzeit jemanden von der Wand aussuchen“, erklärte Mark freundlich und zeigte auf ein paar Schwarz-Weiß-Fotografien über der Bar.
„Vielen Dank, Mark!“
Nach einer kurzen Verbeugung verschwand er in der Menge. Shelby griff nach meinem Ellbogen. „Bist du jetzt vollkommen übergeschnappt?“, fauchte sie.
„Wie bitte? Du bist es doch, die sich hier aufführt wie eine Jungfrau bei ihrem ersten Date. Ich habe gedacht, du hättest Erfahrung in solchen Locations“, schoss ich zurück und riss meinen Arm los.
„Das Top Hat war ganz anders als das hier“, erwiderte Shelby kleinlaut und starrte wie gebannt auf die nächstgelegene Plattform, auf der sich zwei Männer bei einem Sadomasospielchen vergnügten.
„Ich werde mir mal die Wand mit den Fotos anschauen“, kündigte ich Shelby an. „Wenn du nicht willst, dass dich jemand von oben bis unten abschleckt, rate ich dir, bei mir zu bleiben.“
Sofort sprang sie auf und folgte mir so dicht auf den Fersen, dass ich mir vorkam, als sei ich wieder im Kindergarten und würde Huschebahn spielen. Langsam begann mich nicht nur Shelby, sondern auch der Lärm und der intensive Geruch der auf engstem Raum zusammengepferchten Menschen zu nerven. Es roch fast wie im Quartier eines Werwolfrudels – eine widerliche Mischung aus Pheromonen und Schweißgestank ließ mir fast die Tränen in die Augen treten und meinen Kopf brummen.
An der Wand über der Bar hingen ungefähr zwanzig Fotos. Auf einigen waren Gesichter, auf anderen gut ausgeleuchtete Geschlechtsorgane zu sehen. Anscheinend wollten sich die Angestellten des Bete Noire nicht vorwerfen lassen, die Zeit ihrer Gäste zu verschwenden.
„Ich glaube, unser Besuch hier ist sinnlos“, nörgelte Shelby, die neben mir stand und die Bilder anstarrte. „Wenn sich dieser Samael nicht öffentlich zeigt, frage ich mich, was wir hier eigentlich noch machen?“
Ich wollte ihr gerade zustimmen, als mein Blick ein vertrautes Gesicht in der Fotogalerie entdeckte. Wenn man sich das lederne Hundehalsband und das Make-up wegdachte, bestand kein Zweifel, dass die kantigen und frühzeitig gealterten Züge auf dem Foto zu dem Junkie gehörten, der mir vor ein paar Tagen ein Messer ins Auge hatte rammen wollen.
„Edward!“, stieß ich hervor und zeigte auf das Foto.
„Wer, bei den Hex Riots, ist Edward?“
„In der Nacht, in der ich Bryan Howard gefunden habe, hat mich ein Junkie mit einem Messer angefallen. Es ist der Typ auf dem Foto da gewesen. Edward!“ In meiner Aufregung griff ich mir den erstbesten Barkeeper und fragte ihn ohne Umschweife: „Was wissen Sie über Edward?“
„Dass er nicht auf Sie stehen würde, zum Beispiel“, raunzte mich der Mann an und zog mit einem verächtlichen Blick seinen Arm aus meiner Hand. „Er nimmt nur Männer.“
„Es geht nicht um mich persönlich“, versuchte ich zu erklären. „Ich muss einfach nur wissen, wie lange er schon hier arbeitet und wer seine Partner sind.“
Der Barkeeper presste die Lippen zusammen. „Hören Sie mal, Sie Frischling, wenn Sie nach einer Story suchen, um Ihre mausgrauen Freundinnen mit Eigenheim in der Vorstadt beeindrucken zu können, dann besaufen Sie sich doch einfach und lassen sich in Waterfront auf der Straße vergewaltigen. Was wir machen, ist absolut privat, und Ihre neugierige Visage können wir hier absolut nicht brauchen.“
Reizend! Offensichtlich würde ich hier nur bedingt mit meinem weiblichen Charme weiterkommen. Kurzerhand kramte ich in meinem Portemonnaie, holte fünf Zwanziger heraus und knallte sie auf den Sperrholz-Tresen. „Hundert Dollar, wenn Sie mir heute Nacht noch ein Date mit Samael
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