Nocturne City 02 - Blutfehde
Asmodeus alles sehen zu können, was in mir vorging.
„Du siehst es noch nicht, Insoli, aber um dich herum webt sich ein immer dichter werdendes Gespinst unterschiedlichster Gefahren, und bald wirst du darin gefangen sein wie ein Insekt im Netz der Spinne. Du bist auf dem Weg in einen Abgrund, aus dem es kein Entkommen geben wird, und ich rate dir, nicht deinen Impulsen zu folgen!“
„Pass auf, mein Lieber, ich mache dir einen Vorschlag: Ich krieche jetzt ins Bett und versuche zu vergessen, wie beschissen gerade alles ist, und du verschwindest einfach wieder unter dem Stein, unter dem du hervorgekrochen bist, okay?“, sagte ich laut, doch der Dämon lachte nur.
„Du könntest ruhig etwas netter zu mir sein, schließlich habe ich dir jüngst das Leben gerettet.“
Ja, ich war noch am Leben, doch zu welchem Preis? Nicht genug damit, dass ich Dmitri hatte opfern müssen, nein, nun kannte auch alle Welt mein dunkles Geheimnis. Zu übermäßigem Dank fühlte ich mich deswegen jedenfalls nicht verpflichtet. „Was willst du denn noch von mir?“, brummte ich. „Ich habe dich doch befreit … Kannst du nicht irgendwo anders deine Freiheit genießen?“
„Im Moment zieht es mich hierher. Später werde ich sicherlich an anderer Stelle wandeln. Ich bin ein freies Wesen, ganz und gar … befreit … wie du es nennst. Meine Warnungen magst du missachten, Insoli, aber ignoriere nicht, was sich vor deinen Augen abspielt!“
Gerade als ich ihm sagen wollte, dass ich mir lieber Stigmata oder irgendeinen anderen religiösen Mystery-Quatsch anschauen würde, als seinen kryptischen Prophezeiungen zu lauschen, verschwand Asmodeus ebenso plötzlich, wie er gekommen war.
Er löste sich ganz einfach in Luft auf und ließ nur den Gestank glimmender Holzkohle zurück.
Obwohl ich mich redlich bemühte, konnte ich mir keinen Krim auf den Besuch von Asmodeus machen. Hatte ihn etwa die Langeweile so sehr geplagt, dass er seine Spielgefährten jetzt sogar unter den Menschen oder vielmehr menschenähnlichen Wesen suchte, oder waren die Götter wider Erwarten auf die Idee gekommen, mir in diesen schwierigen Zeiten einen loyalen Dämon zur Seite zu stellen?
„Vielen Dank, ihr alten Knacker!“, murmelte ich, bevor ich einschlief, und sprach damit seit sehr langer Zeit einmal wieder so etwas wie ein Nachtgebet.
Wie lange mein Wecker schon geklingelt hatte, konnte ich nicht mehr genau sagen, aber als ich endlich meinen Arm hob, um das verdammte Ding auszuschalten, zeigten die blauen Ziffern auf der Anzeige 10 Uhr 30 an.
„Verdammt!“, schrie ich, sprang hektisch aus dem Bett und stolperte sofort über einen Haufen dreckiger Jeans. „So ein verdammter Scheißkackdreck!“
Es blieben mir weniger als dreißig Minuten für den Weg ins Zentrum, um noch rechtzeitig zum Treffen mit Patrick O’Halloran zu kommen. Eigentlich war es ein Ding der Unmöglichkeit, aber ich musste es schaffen, denn ich konnte mir nicht vorstellen, dass einer der reichsten Männer der Westküste es besonders amüsant finden würde, wenn man ihn bei einem Termin warten ließ. Als ich mir dazu noch Shelbys nerviges Gezeter wegen meines Zuspätkommens ausmalte, war ich fest entschlossen, alle Gesetze von Zeit und Raum zu widerlegen.
Fünf Minuten später hatte ich mich angezogen – zumindest in dem Umfang, dass ich nicht wegen unsittlichen Verhaltens in der Öffentlichkeit verhaftet werden konnte. Auch meine wilde Morgenmähne war zumindest so weit gezähmt, dass man sie mit etwas gutem Willen für eine dieser Zerzaust-aber-sexy-Frisuren halten konnte. So richtig überzeugte mich mein Look jedoch nicht, deswegen brachte ich meine Haare dann doch noch schnell mit einer Haarklammer in eine akzeptable Form.
Ich nahm die etwas längere Strecke über den Expressway, um die zeitraubenden Staus auf der Siren Bay Bridge zu vermeiden, musste aber trotzdem diverse Verkehrsregeln brechen, um es gerade noch rechtzeitig in die Parkgarage des O’Halloran Tower zu schaffen. Die Uhr am Armaturenbrett verriet mir, dass ich noch genau zwei Minuten bis zu meinem Termin hatte.
„Miss!“, rief eine Stimme hinter mir, als ich gerade den Fairlane abschloss. Ich drehte mich um und sah einen pickelgesichtigen jungen Mann in blauer Uniform auf mich zustürzen, der so wild mit seinen Armen gestikulierte, dass er sich fast die Mütze vom Kopf schlug.
„Miss, Sie können hier nicht parken!“
Ich warf einen Blick auf den Fairlane – er stand genau zwischen zwei weißen Linien,
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