Nocturne City 02 - Blutfehde
und soweit ich es erkennen konnte, hatte ich weder auf einem Behindertenparkplatz gehalten noch einen anderen Wagen zugeparkt. „Das hier ist also kein Parkplatz?“
„Dieser Platz ist für Geschäftskunden der O’Hallorans reserviert“, antwortete der junge Mann mit einer unausstehlichen Arroganz. Sofort hatte ich beschlossen, dass ich mir als gestandene Mordermittlerin nicht mal im Traum das autoritäre Gehabe eines pubertierenden Parkplatzwächters gefallen lassen musste, und ging zum Gegenangriff über.
„Jetzt passen Sie mal auf, junger Mann, ich habe ein Meeting mit Mister O’Halloran, und zwar um elf. Wenn Sie so weitermachen, komme ich zu spät, und dann werden Sie mehr Probleme kriegen, als Sie sich vorstellen können.“
„Dass Sie ein Meeting mit Mister O’Halloran haben, möchte Ich doch stark bezweifeln, Miss.“ Seinen Worten ließ er ein hochmütiges Schnauben folgen, während er mich von Kopf bis Fuß musterte. Ich folgte seinem Blick und konnte mir gut vorstellen, wie meine zerrissene Diesel-Jeans und das Dead-Kennedys-Shirt auf ihn wirken mussten. Eigentlich konnte er froh sein, dass ich wenigstens in einem sauberen Aufzug unterwegs war und weder die sonst üblichen Blutspritzer noch die glibberigen Hirnreste unbekannter Mordopfer an meinen Klamotten klebten.
„Okay, dann schauen Sie doch mal, was ich hier habe“, sagte ich und zog die Polizeimarke aus meiner schwarzen Canvasjacke, die ich kurzerhand zu meiner neuen Lieblingsjacke erkoren hatte, nachdem mir meine Motorradlederjacke im Bete Noire geklaut worden war. „Sie behindern gerade polizeiliche Ermittlungen, Kleiner, und ich glaube, es ist in Ihrem ureigensten Interesse, langsam damit aufzuhören!“
„Das Ding kann genauso gut gefälscht sein“, antwortete er nach einem kurzen Blick auf die Marke frech, und ich dachte kurz darüber nach, ob es mir wohl größere Schwierigkeiten einbringen würde, ihn einfach bis zum Ende des Meetings in den Kofferraum meines Wagens zu sperren.
„Luna!“, schrie eine Frau in grauem Wollrock und Power Blazer von der Garageneinfahrt in unsere Richtung. Erst auf den zweiten Blick erkannte ich, dass es Shelby war, die da auf uns zuhastete.
„Hi, Shelby, kannst du dem Herrn hier bitte erklären, was Sache ist?“, begrüßte ich sie leicht verärgert.
„Hören Sie mal, Vaughn, Detective Wilder ist meine Partnerin. Wir haben einen wichtigen Termin bei meinem Onkel. Und wie Sie sich denken können, wird er ganz bestimmt nicht erfreut darüber sein, dass Sie uns hier grundlos aufhalten!“, schimpfte Shelby mit dem übereifrigen Garagenwächter.
Vaughn schluckte. „Ihr … Ihr Onkel?“, stammelte er und erbleichte von einem Moment auf den anderen, als wäre er eine dieser Cartoonfiguren, die in Sekundenbruchteilen ihre Hautfarbe wechseln können.
„Onkel Patrick, nicht Onkel Seamus“, beruhigte ihn Shelby und verdrehte ihre Augen. „Und passen Sie mir gut auf das Auto des Detective auf, verstanden?“
Bei diesen Worten setzte Vaughns Atmung wieder ein, und er nickte so heftig mit dem Kopf, dass es mich nicht gewundert hätte, wenn er im nächsten Augenblick von seinem Hals abgerissen und die Garageneinfahrt hinuntergerollt wäre. „Natürlich Ma’am … äh … Miss O’Halloran! Tut mir leid, Detective Wilder, ich dachte eigentlich, dass Sie nicht so … na ja, ich habe gedacht, dass Sie mehr wie Miss Shelby aussehen würden.“
Beleidigt riss ich ihm seine alberne Schirmmütze vom Kopf und warf sie in hohem Bogen in die Ecke. „Das ist die Strafe für Ihre dämlichen Bemerkungen.“
Während Vaughn seiner Mütze nachstürzte, bugsierte mich Shelby in den Aufzug und drückte den Knopf der zweiundvierzigsten Etage. „Du kannst froh sein, dass wir Patrick treffen und nicht Onkel Seamus …“
„Wieso? Hat dein Onkel Seamus etwa eine Falltür in seinem Büro, durch die er Zuspätkommer in das Haifischbecken stürzen lässt?“
Shelby strafte mich mit einem todernsten Blick.
„Sony, ich hab ein bisschen verschlafen“, versuchte ich sie zu beschwichtigen. „Die Gehirnerschütterung von gestern hat mich ganz schön mitgenommen.“ Natürlich waren der verlogene Dmitri und seine kleine ukrainische Importbraut auch nicht ganz unschuldig an meinem Zustand, aber da ich mir geschworen hatte, ihn zu vergessen, wechselte ich lieber das Gesprächsthema.
„Wenn Seamus und Patrick deine Onkel sind, wer ist dann dein Vater?“
„Mein Vater ist Thomas O’Halloran“, erwiderte sie
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