Nocturne City 02 - Blutfehde
Wände des Raums waren in einem unausstehlich knalligen Rosa gestrichen, und auf der Tapetenbordüre tummelten sich spielende Kätzchen.
„Hey“, sagte Shelby mit schwacher Stimme und hob, durch Infusionsschläuche behindert, nur kurz die Hand. „Lange nicht gesehen, was?“
Anstatt zu antworten, warf ich ihr das Beweismitteltütchen mit der Notiz vom Tatort auf die Decke und verschränkte meine Arme vor der Brust. Nachdem Shelby den Zettel gelesen hatte, erblasste ihr ohnehin schon mitgenommenes Gesicht vollkommen. „Woher hast du das?“
„Hat der Täter für uns hinterlegt“, antwortete ich. „Sehr aufmerksam von ihm – oder ihr. Findest du nicht?“
Shelby schien einen riesigen Kloß im Hals zu haben. Sie drehte den Kopf zur Seite und fixierte sichtlich verzweifelt den Notrufknopf auf dem Nachttisch neben ihr. Mit einer raschen Bewegung griff ich über ihr Bett und riss den Knopf samt Strippe aus der Wand, sodass Funken aus der Buchse sprühten. Dann ließ ich das Gerät in den Mülleimer fallen und wandte mich wieder meiner Partnerin zu. „Wir beide werden uns jetzt unterhalten, und zwar ohne störende Krankenschwestern, klar?“
Die Angst in Shelbys Augen sagte mir alles – offensichtlich wusste sie genau, was die geheimnisvolle Nachricht bedeutete, und hatte mich demzufolge die ganze Zeit belogen. „Luna, ich glaube, du verstehst da was falsch.“
Sicher doch … jetzt bin ich also diejenige, die was falsch versteht. „Ich glaube eher, dass ich das ganz richtig verstehe. Erst taucht die Leiche von Vincent Blackburn auf, dann wird dein Onkel mit einer Autobombe ermordet, und zu guter Letzt hinterlässt uns der Mörder eine Nachricht, die ich schon bei anderen Bluthexen gehört habe. Das klingt für mich sehr nach einem Vergeltungsschlag, Shelby.“ Ich beugte mich so tief über sie, dass ich das getrocknete Blut an ihrer Wunde riechen konnte, und raunte ihr dann mit ruhiger Stimme ins Ohr: „Da ist ganz offensichtlich ein Krieg zwischen Bluthexen und Casterhexen im Gange, Shelby, und meiner Meinung nach wird es nicht sonderlich lange dauern, bis die Blackburns auch die O’Hallorans deiner Generation abschlachten.“
Shelby strich sich mit der Hand über die Augen, und als ihre Schultern zu zittern begannen, drehte sie den Kopf zur Seite, MIM ihre Tränen zu verbergen. Ich war erstaunt, dass der sonst so harte Detective mit dem kessen Mundwerk auf einmal leichter uns der Fassung zu bringen war als ein jugendlicher Ladendieb bei der Vernehmung auf dem Revier. „Ich warte“, sagte ich fordernd. „Entweder du erzählst mir jetzt die Wahrheit, oder ich gehe auf der Stelle zu Morgan und lass dich suspendieren!“
Sie stieß einen schroffen Laut aus, der einem verächtlichen Lachen ähnelte, und sagte dann: „Die Wahrheit? Du willst die Wahrheit hören? Bei diesem Krieg geht es nicht um Vincent Blackburn oder einzelne Personen, sondern um eine Fehde zwischen Blut- und Casterhexen, die sehr weit zurückreicht. Sie hassen uns, und wir bekämpfen sie – das war schon immer so und wird sich auch niemals ändern, verstehst du? Du brauchst überhaupt gar nicht daran zu denken, dem Ganzen ein Ende setzen zu wollen!“
„Wie bitte?“, schrie ich empört. „Ich werde wegen der idiotischen Fehde von ein paar alten Männern mit zu viel Freizeit beinahe wie ein Steak gegrillt, und du sagst mir, ich soll diesem Wahnsinn kein Ende setzen? Ich glaube, du spinnst! Das muss aufhören, und zwar bald!“
Shelby winkte nur ab, als sei ich ein hoffnungsloser Fall.
„Es wird aber nicht aufhören, Luna, denn jetzt wird Seamus zurückschlagen, und die Blackburns verkriechen sich wieder in ihrer Höhle. In ein paar Tagen wird dann der nächste tote Junkie auftauchen und so weiter und so fort“, erklärte Shelby. Dann richtete sie ihren Oberkörper auf, indem sie sich auf den Ellbogen abstützte. „Du kannst dich meinem Onkel nicht in den Weg stellen. Er wird tun, was nötig ist, um meine Familie zu beschützen. Das hat er schon immer getan.“
„Da draußen sterben Menschen, und zwar nicht nur Blut- oder Casterhexen, Shelby“, redete ich auf sie ein. „Echte Menschen! Sie mögen Junkies und Huren sein, und meinetwegen sind sie auch der Abschaum dieser Stadt, aber nichtsdestotrotz sind es Menschen, die da wegen dieser unsinnigen Fehde verrecken.“ Ich seufzte. Mein Kopf tat weh, und eigentlich wollte ich einfach nur nach Hause fahren und mir mit einer heißen Dusche den rauchigen Gestank des Feuers vom
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