Nocturne City 02 - Blutfehde
und nickte. „Ich denke mal, dass ich diesen Teil dann aus meinem Bericht rauslassen werde.“
„Gute Entscheidung“, stimmte ich ihm zu. Dann zog ich ein Bandana aus meiner Gesäßtasche, das nicht nur mit süß-saurer Chinasoße befleckt war, sondern auch nach dem widerlichsten Blumenparfüm roch, das ich bei Nocturnal – einem versnobten Warenhaus, in dem Shelby wahrscheinlich den Großteil ihrer Freizeit verbrachte – hatte finden können. „Hier, Sunny, halt dir das Tuch vor die Nase.“ Ich hob das Absperrband an, und wir gingen zusammen in Richtung des verkohlten Jaguar. Als Sunny den Leichnam von Patrick O’Halloran erblickte, blieb sie wie angewurzelt stehen.
„Ich glaub, mir wird schlecht.“
„Nein“, redete ich ihr gut zu. „Dir wird nicht schlecht. Du musst einfach nur weiteratmen.“
„Oh mein Gott!“, sagte Sunny und presste das Bandana fester über Mund und Nase. „Riecht das immer so unerträglich?“
„Nicht immer“, sagte Pete. „Obwohl … letzten Monat haben wir so einen Fettsack aus der Bay gefischt, der da schon gute zwei Wochen im Wasser trieb. Nachdem wir ihn rausgezogen hatten, ist sein Magen …“
„Pete, bitte!“, unterbrach ich ihn mit einem energischen Ton, den ich sonst nur benutzte, um fliehenden Verdächtigen nachzubrüllen oder renitente Exfreunde in die Knie zu zwingen. „Lassen wir doch Sunny erst mal einen Moment in Ruhe, damit sie sich etwas umsehen kann, einverstanden?“
Meine Cousine war zwar mittlerweile so grün angelaufen wie der Rasen des Wembley-Stadions, aber nachdem sie noch einmal tief durchgeatmet hatte, ging sie entschlossen auf den Wagen zu. Knapp zwei Meter vor der Fahrertür blieb sie stehen und hockte sich hin, um den Garagenboden zu untersuchen. „Habt ihr das hier gesehen?“
Ich schaute auf den verkohlten Beton und wusste nicht, worauf sie hinauswollte. „Meinst du die Brandspuren?“
„Es ist ein Kreis“, sagte Sunny, und als ich sah, was sie meinte, hatte ich keinerlei Zweifel mehr an meiner Theorie, denn der ersehnte Beweis befand sich direkt vor uns. Ich hatte den Kreis, der das Autowrack umgab, fälschlicherweise für den Explosionsradius gehalten, obwohl er eigentlich viel zu exakt war, als dass ihn eine Bombe hätte verursachen können.
„Eigentlich ist es ganz einfach“, begann Sunny zu erklären. „Man zeichnet einen magischen Kreis für einen Brandzauber, schließt ihn aber nicht, und wenn dann irgendjemand in den Kreis hineintritt: BOOM! Dann geht alles in Flammen auf! O’Halloran hatte nicht die geringste Chance, diese Falle zu überleben. Ich hoffe, das reicht euch fürs Erste – ich brauchte nämlich dringend mal ein bisschen frische Luft, der Gestank verkohlter Leichen bekommt mir gar nicht.“
Pete beugte sich zu ihr, um ihr aufzuhelfen, hielt dann aber mit einem Blick unter das Wrack inne. „Da liegt irgendetwas Glitzerndes unter dem Auto.“
Nachdem er sich einen Gummihandschuh übergestreift hatte, griff er nach dem Gegenstand und reichte mir einen Augenblick später ein dünnes Röhrchen, das in etwa so groß wie die Hülle einer teuren Zigarre war.
Bis auf etwas Ruß an der Oberfläche war das Röhrchen vollkommen unversehrt geblieben. Bei näherer Betrachtung erkannte ich, dass man es aufschrauben konnte. „Was ist es?“, rief Sunny, die schon wieder hinter der Absperrung stand.
„Keine Ahnung“, murmelte ich und schraubte das Röhrchen auseinander. Heraus fiel eine Rolle aus dickem Papier, das wie Pergament wirkte und mit einer krakeligen Handschrift beschrieben war. Wir sehen euch mit leeren Augen.
„Verdammter Mist!“, brummte ich.
Das Nocturne City General ist nicht gerade das Krankenhaus, in das man im Fall der Fälle eingeliefert werden möchte. Mit den tief hängenden Deckenplatten aus Asbest, dem grünen Linoleum aus den frühen Siebzigern und den flackernden Leuchtstoffröhren, die das gesamte Gebäude mit einem ständigen Summen erfüllten, wirkte es eher wie die schaurige Kulisse für einen Stephen-King-Roman und nicht wie ein Ort, an dem Leben gerettet werden. Für mich als Werwölfin war ein Besuch in diesem Gebäude doppelt fürchterlich, denn der beißende Geruch der Bleich- und Desinfektionsmittel, mit denen man vergebens versuchte, das Krankenhaus von über dreißig Jahren Schweiß, Blut und Tod zu säubern, war extrem.
Shelby hatte ein halb privates Zimmer im ersten Stock, in dem sich allem Anschein nach ein überambitionierter Raumausstatter ausgetobt hatte: Die
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