Nocturne City 02 - Blutfehde
Auf diese Weise wollten die Casterhexen Mr Blackburn höflich, aber bestimmt mitteilen, dass man seine schwarzmagischen Umtriebe nicht länger dulden würde. Im Todeskampf gelang es Gertrude allerdings, die Angreiferin mit einem Pistolenschuss niederzustrecken, sodass der heimkehrende Theodore neben seiner ermordeten Gattin auch eine erschossene Hausangestellte vorfand. Durch den Verlust am Boden zerstört, begann Theodore Blackburn zu trinken und verlor mit der Zeit nicht nur sein Vermögen, sondern auch sein gesamtes Anwesen an die Stadt, die wenig später die Nocturne University daraus machte. So weit die jugendfreie Variante des Dramas.
„Ich sage nur so viel dazu“, begann Hoskins seine Erklärung. „Nach Gertrudes Tod stürzten die Blackburns ins Chaos, wohingegen sich die O’Hallorans innerhalb eines halben Jahrhunderts von bettelarmen Einwanderern zu mächtigen Bankern mauserten. Die entsprechenden Schlüsse ziehen Sie bitte selbst, Detective.“
Ich seufzte verzweifelt. „Also wissen Sie nicht, welchen Gegenstand die O’Hallorans gestohlen haben könnten?“
Hoskins schüttelte den Kopf. „Das ist in beiden Familien ein wohlgehütetes Geheimnis.“
„Wäre auch zu schön gewesen“, murmelte ich und musste mir eingestehen, dass die Aufklärung des Mordes an Vincent Blackburn problematischer sein würde, als ich gehofft hatte. „Trotzdem vielen Dank, Professor!“
„Vielleicht sollten Sie es mal mit der Sammlung versuchen“, riet mir Hoskins, wobei er das Wort Sammlung in einer so furchteinflößenden und bedrohlichen Art aussprach, wie es sonst nur Gandalf konnte, wenn er von Baraddur, dem Dunklen Turm von Mordor, erzählte.
„Welche Sammlung?“, hakte ich nach.
„Die Bücher, die die Blackburns der Universität hinterlassen haben … oder sollte ich besser sagen: die Bücher, die sich die Stadt zusammen mit den anderen Besitztümern der Blackburns unter den Nagel gerissen hat? In jedem Fall eine ziemlich beeindruckende Quelle, wenn Sie mich fragen.“
„Und wo genau befindet sich diese Sammlung?“
Hoskins zeigte auf den Hauptteil des ehemaligen Wohnsitzes der Blackburns. „In der Bibliothek.“
In mir machte sich ein klein wenig Freude breit, denn ich mochte Bibliotheken irgendwie. Sie waren stets aufgeräumt und wurden meist nur von gewöhnlichen Menschen besucht. Wenn es sich nicht um ein Antiquariat oder einen Laden mit okkulten Büchern handelte, war auch die Energie an diesen Orten meist rein und gutartig. Bibliotheken waren kurzum ein idealer Ort für Wesen wie mich, die mit einer ausgesprochenen Magie-Phobie kämpften.
Die Frau an der Information war sehr blass und hatte strähnige braune Haare, die über ihre John-Lennon-Brille hingen. „Ja bitte?“, sprach sie mich blinzelnd an.
„Ich würde gern die Blackburn-Sammlung sehen“, sagte ich, woraufhin sie mir einen finsteren Blick zuwarf.
„Tut mir leid, aber zu diesem Bereich haben nur Doktoranden und Lehrkräfte Zutritt.“
Als ich ihr meine Dienstmarke vor die Brille hielt, reagierte sie mit einem weiteren Blinzelanfall. Danach fuhr sie sich mit der Zunge über die Lippen und erklärte empört: „Sie können nicht einfach mit diesem Ding hier herumwedeln und denken, dass ich Ihnen deshalb Zugriff auf sämtliche Informationen der Nocturne University gewähre!“
„Passen Sie mal auf“, sagte ich bestimmt und versuchte ruhig und freundlich zu bleiben, um sie nicht noch nervöser zu machen, als sie ohnehin schon war. Mit meinen Stiefeln und dem komplett schwarzen Outfit hielt sie mich wahrscheinlich für eine ultrabrutale Undercover-Agentin des NCPD. „Ihre sämtlichen Informationen sind mir völlig egal. Mir geht es eigentlich nur um die Bücher der Sammlung, weil sie möglicherweise Hinweise enthalten, die für die Auflösung eines Mordfalls relevant sein könnten.“
Bei dem Wort „Mordfall“ riss sie den Kopf hoch. „Etwa so wie bei Law & Order?“
„Sie haben es erfasst, genau wie bei Law & Order“, antwortete ich mit einem geduldigen Lächeln. In diesem Moment hätte ich ihr sogar die Titelmelodie der Serie vorgesummt, wenn sie mir dafür die Sammlung der Blackburns gezeigt hätte.
„Wow, das ist ja vielleicht mal was Aufregendes“, sagte sie entzückt. Dann griff sie nach einem der Schlüsselringe auf ihrem Schreibtisch und ging in Richtung der Bücherregale. „Kommen Sie, hier entlang bitte.“
Die Blackburn-Sammlung befand sich in einem kleinen klimatisierten Raum hinter der
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