Nocturne City 03 - Todeshunger
den Kopf. »Das können Sie vergessen, Fräuleinchen. Wir werden diesem Abschaum eine Lektion erteilen. Koste es, was es wolle!«
»Er hat nichts getan!«, brüllte ich. »Sie sollten vor ganz anderen Leuten Angst haben!«
Donal lachte auf. Sein Gelächter klang trocken wie ein heiseres Husten. »Armes Mädchen. Wie er Sie eingewickelt hat! Wie ein hechelndes Hündchen sind Sie auf sein süßes Lächeln und diese verführerischen Augen reingefallen und merken es noch nicht mal!«
»Halten Sie es wirklich für eine schlaue Idee, ausgerechnet die Person vollzutexten, die die Luftröhre Ihres Freundes zu Mus verarbeiten kann?«, drohte ich. »Vielleicht sollten Sie mal eine Sendepause einlegen.«
»Warum mussten Sie uns auch in die Quere kommen?«, fauchte Donal und drehte Lucas’ Hals noch weiter zur Seite.
»Weil ihr mich dazu gezwungen habt!«, antwortete ich und hob drohend meinen Fuß.
»Donal …«, keuchte der War Wolf unter mir. »Vielleicht sollten wir ihren Vorschlag noch mal überdenken.«
»Halt den Mund, Welpe!«, rief Donal. Lucas begann nun in seinem Griff zu zittern. Es war eine kaum merkliche Bewegung, die Unbeteiligte höchstwahrscheinlich als Angst ausgelegt hätten. Als Lucas mich jedoch in diesem Augenblick ansah und seine hell glänzenden Fangzähne unter seinem breiten Grinsen hervortraten, ahnte ich, was geschehen würde.
»Nein, Lucas! Nicht!«, rief ich.
»Das war’s. Ich habe Sie gewarnt …«, begann Donal und setzte zu der finalen Bewegung an, um Lucas das Genick zu brechen. Als sich Lucas jedoch in diesem Augenblick in seinem Griff aufrichtete, hielt er inne und begann zu stammeln: »Bei der strahlenden Herrscherin!«
In Sekundenbruchteilen hatte sich Lucas verwandelt: Sein Haar löste sich ab, seine Ohren wurden spitz und legten sich an den Kopf an. Sein Körper verformte sich, wurde schmaler
und zog sich in die Länge, sodass man die Knochen und Sehnen unter seinem grau gesprenkelten Fleisch erkennen konnte. Auch Zähne und Zunge verlängerten sich, und seine Augen leuchteten nun in lauterem Silber. Zum Abschluss schössen Klauen aus seinen Fingern hervor, an denen mit getrocknetem Blut verschmierte Hautfetzen hingen.
Ich traute meinen Augen kaum, als Lucas im nächsten Augenblick mit einem markerschütternden Schrei herumfuhr, dabei aber nur die obere Hälfte seines Körpers um hundertachtzig Grad drehte, während seine Füße wie einbetoniert auf dem Asphalt stehen blieben. Durch die transparente Haut sah ich, wie sich seine Wirbelsäule bei dieser Bewegung ausrenkte. Kaum konnte er Donal ins Gesicht sehen, riss er seinen Schlund auf wie ein Alligator und knurrte ihn an.
Donal schreckte zurück, strauchelte und landete auf dem Hosenboden. Mit angstverzerrtem Gesicht hielt er sich die Ohren zu, um den Schrei des Wendigos nicht hören zu müssen, und kroch weiter rückwärts.
Der Schlägertyp unter meinem Fuß war erstarrt. »Bei den Göttern der Verdammnis … was ist hier los?«
Ich nahm meinen Fuß von seinem Hals und half ihm auf. Die anderen drei War Wolves hatten sich schlauerweise schon vorher aus dem Staub gemacht. »Ich sage dir, was los ist: Du nimmst jetzt besser die Beine in die Hand, wenn du dir nicht die Radieschen von unten betrachten willst!«
Lucas drehte die obere Hälfte seines Körpers zurück, um sie wieder mit Hüften und Beinen in Einklang zu bringen. Dabei glitten auch die Knochen und Sehnen unter seiner glatten Haut wieder in ihre normale Position zurück. Donal wimmerte bei dem Anblick nur leise. Seine weit aufgerissenen Augen waren durch den Schock noch immer glasig. »Aber … es ist doch kein Mond am Himmel …«, stotterte er,»… du brauchst doch den Mond …«
Der Wendigo ließ das gleiche abscheuliche Lachen vernehmen, das ich bereits im Wald nach meiner Entführung gehört hatte. »Ich brauche keinen Mond«, raunte er mit einer Stimme, die klang, als hätte ihm jemand die Kehle durchgeschnitten. »Nur Hunger.«
Lucas bewegte sich gewandt wie Rauch im Wind. Seine Umrisse verschwammen förmlich vor meinen Augen.
»Scheiße«, murmelte ich, denn ich wusste, dass es zwecklos war, die menschliche Seite des gut drei Meter großen, blutdurstigen Monsters vor mir um Nachsicht für Macleod zu bitten. Auch wenn der Rudelführer der War Wolves ein ausgemachter Mistkerl war, so hatte er es dennoch nicht verdient zu sterben. Noch nicht.
Ich trat vor. »Ich kann das nicht zulassen.«
Lucas wandte mir den Kopf zu und verdrehte seinen Hals dabei
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