Nocturne City 03 - Todeshunger
an der frischen Luft.«
Der große Loup legte mir eine Hand auf die Schulter. »Hier lang, Prinzesschen, und keine schlauen Sprüche mehr, klar?«
»Würde mir im Traum nicht einfallen.« Ich lächelte ihn versöhnlich an. Ja, auch wenn es niemand für möglich hielt, konnte ich nett sein, wenn die Situation es erforderte.
Duvivier hatte das größte Zimmer des viktorianischen Hauses in eine Art VIP-Suite verwandelt. Die samtverkleideten Wände sorgten zusammen mit der niedrigen Ledergarnitur und der drittklassigen House-Musik, die in absurder Lautstärke aus einer Stereoanlage im Eckschrank plärrte, für ein leidlich exklusives Ambiente. Ein rundes Bett mit himmelblauer Samtdecke und Zebrastreifen-Laken, in dessen Mitte sich Gerard Duvivier räkelte, dominierte den Raum. Er trug einen dunklen Armani-Anzug, der an seinem schlaksigen Körper Falten warf. Zu beiden Seiten hatte er je ein Mädchen, die der Kleinen aus der Küche zum Verwechseln ähnlich sahen. Die beiden verwöhnten den Rudelführer mit Sekt, Weintrauben und eindeutigen Streicheleinheiten.
»Schöner Laden«, eröffnete ich das Gespräch und grüßte ihn mit einer kurzen Handbewegung, als er den trägen, blutunterlaufenen Blick auf mich richtete. »Erinnert an die Hütten der Koksdealer in Miami vor zwanzig Jahren. Der Vollständigkeit halber sollten Sie sich noch ein paar Alligatoren für den Whirlpool zulegen.«
»Sie hat unten im Laden die Klappe aufgerissen«, sagte der kleinere Loup.
»Ach ja?«, brummte Gerard gelassen, während er mich von Kopf bis Fuß musterte. Er war jünger, als ich es von einem Rudelführer erwartet hätte, aber das Gesicht mit der viel zu breiten Nase und den asymmetrischen Wangenpartien verriet mir genauso wie der intensive Geruch, dass er von Geburt an Loup war. Ihm hingen fettige Haarsträhnen in die Augen, unter dem Jackett trug er nur ein Goldkettchen mit Kruzifix.
»Baby, du hast doch gesagt, keine Geschäfte mehr nach Feierabend«, murrte eines der Mädchen, das gerade kleine Locken ins Brusthaar des Rudelführers drehte.
»Halt die Klappe«, fuhr Gerard sie an und richtete den Blick wieder auf mich. Er hatte einen wachen, klugen Blick, der eine Cleverness ausstrahlte, wie sie bei gewöhnlichen Loups nur selten anzutreffen war.
»Warum haben sich Louis und Marius so aufgeregt, Insoli?«
»Eins vorweg: Ich habe einen Namen und finde, wir sollten ihn von jetzt an benutzen!«
Er spreizte die Finger. »Gut. Wie heißen Sie, Süße?«
»Luna Wilder«, entgegnete ich. »Ich bin Bertrand Lautrecs wegen hier.«
Kaum hatte ich den Namen ausgesprochen, rückten Louis und Marius näher, und Duvivier setzte sich auf und schob die Mädchen beiseite. »So, so. Was wollen Sie wissen?«
»Ich helfe dem ermittelnden Kollegen, David Bryson, den Ihre Handlanger aus dem Club geworfen haben«, erklärte ich und warf dabei Marius, dem Loup mit der Gewandtheit eines Nilpferds, einen vernichtenden Blick zu. Nachdem ich geschluckt hatte, um den erdrückenden Gestank der drei Werwolfmännchen loszuwerden, der mich mit jeder Minute schwindliger machte, stellte ich die Frage, wegen der ich gekommen war: »Ich muss wissen, ob jemand von Ihnen einen Verdacht oder eine Vermutung hat, warum es jemand auf Lautrec abgesehen haben könnte.«
»Ich weiß nicht«, schnurrte Gerard. »Jungs? Habt ihr eine Ahnung, warum jemand Bertrand den Schädel hätte wegpusten sollen?«
Louis grunzte: »Nein, Sir.«
»Er hatte Urlaub«, sagte Marius. »Hat keiner Fliege was zuleide getan.« Marius log etwa so gut wie ein Schlackehaufen.
»Dreimal negativ, Fräuleinchen«, sagte Gerard. »Wir können Ihnen nicht helfen.« Plötzlich rückten mir Louis und Marius so dicht auf die Pelle, dass ich ihre Körperwärme spürte. Sofort bekam ich eine Gänsehaut, und dicke Schweißtropfen rannen unter meinem T-Shirt nach unten.
»Lassen Sie mich raten: Sie schmeißen mich jetzt raus wie Bryson?«, fragte ich.
»Oh«, sagte Gerard. »Nein, eigentlich hatte ich nicht vor, Sie schon an die Luft zu setzen, Miss Wilder.« Langsam streckte er die Hand aus und drückte auf den Summer der Gegensprechanlage an der Wand hinter ihm. Ein paar Sekunden später trat der Werwolf ein, den ich im Flur neben der Küche niedergeschlagen hatte. Bei Licht betrachtet sah er noch schlimmer aus als unter der Schwarzlichtlampe. Kaum hatte er mich entdeckt, visierte er mich an wie ein Pitbull einen saftigen Knochen.
Ich war schon eine Weile Polizistin und hatte gelernt,
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