Nocturne City 03 - Todeshunger
wir auf dem Highway Richtung Zentrum fuhren.
»Wofür? Würdest du dich auch so aufregen, wenn ich irgendeinem Typen einen Glücksbringer vom Schlüsselbund geklaut hätte?«
»Wenn der Typ deswegen ausrasten und mich hysterisch flennend anrufen würde, dann schon!«
»Darf ich dich daran erinnern, dass du es warst, der mich um Hilfe gebeten hat, David?«, antwortete ich vorwurfsvoll. »Tu mir bitte den Gefallen und fahr mich nach Hause, ja?«
Wir mussten den Umweg um die Siren Bay nehmen, da die Brücke über die Bucht wegen der Erdbebenschäden noch gesperrt war. Nach einer halben Ewigkeit kamen wir an meinem Cottage an, und Bryson brachte den Wagen mit quietschenden Reifen zum Stehen. »Da wären wir. Ihr Palast erwartet Sie«, frotzelte er, was mich noch wütender machte, als ich ohnehin schon war.
»Gern geschehen übrigens«, sagte ich beim Aussteigen. »Ein Präsentkorb wäre das Mindeste für meine Mühen.«
»He!«, protestierte Bryson. »Was ist mit diesen verdammten Werwölfen? Ich bin kein Stück vorangekommen!«
»Nein«, stimmte ich zu. »Aber das ist mir im Moment auch ziemlich egal. Wenn du dich nicht mehr wie ein Vollidiot verhältst und etwas Neues herausgefunden hast, kannst du mich gerne anrufen.«
»Warte …«, rief Bryson, aber dann schnaubte er lautstark und winkte ab. »Ach, vergiss es! Ich kann den Fall auch ohne dich und diesen magischen Hokuspokus lösen!«
Ich warf ihm ein mitleidsvolles Lächeln zu. »Klar, David. Sag mir einfach Bescheid, wenn dir das Wasser wieder Unterkante Oberlippe steht!«
Statt zu antworten, ließ Bryson den Motor im Leerlauf hochdrehen und brauste davon. Ich sah ihm nach und schüttelte den Kopf: Wie ernst konnte man einen Typen nehmen, der einen grünen Anzug trug und den Motor seines abgewirtschafteten Ford Taurus aufheulen ließ, um aller Welt mitzuteilen, dass er stinksauer war?
In Gedanken versunken schlich ich am Cottage vorbei zum Strand, um der Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen, die drinnen auf mich wartete. Eigentlich hätte ich hineingehen und Dmitri meine Meinung ins Gesicht sagen sollen: »He, Liebling, ich will kein Redback sein!«
Aber dann hätte ich ihn wahrscheinlich für immer verloren, und momentan war mir ein griesgrämiger Dmitri zu Hause weitaus lieber als ein Leben ohne ihn. Auf eine Wiederholung der langen, quälenden Monate, in denen er nicht bei mir gewesen und ich wie ein Schatten meiner Selbst durch eine trostlose Welt gelaufen war, hatte ich keine Lust.
»Verdammt!«, ächzte ich und legte den Kopf auf die Knie. Noch vor Kurzem war beziehungstechnisch alles gut gelaufen. Wollte mich ein Typ für dumm verkaufen, hatte ich ihn in die Wüste geschickt. Oder ihm eine Blumenvase an den Kopf geworfen – dann hatte er mir den Laufpass gegeben. Nicht, dass ich mich in diese Zeit zurücksehnte, aber langsam begann ich mich zu fragen, wann die ganze Sache so verdammt kompliziert geworden war.
Als es dunkel wurde, ging ich ins Cottage und kam mir wie eine Vollidiotin vor, als ich merkte, dass Dmitri gar nicht daheim gewesen war.
Sicher hätte sich ein Teil von mir auch über ein gutes Glas Wein bei romantischem Kerzenlicht, eine ernst gemeinte Entschuldigung und ein paar Stunden knackigen Versöhnungssex gefreut, aber ein leeres Haus war eine Erleichterung. Nach einer heißen Dusche beschloss ich, ein Nickerchen zu machen, und verkroch mich in das viel zu große Doppelbett. Seit Langem konnte ich mal wieder Arme und Beine in alle Richtungen ausstrecken und mich nach Lust und Laune von einer Seite des Bettes zur anderen wälzen. Trotzdem dauerte es eine Weile, bis ich einschlief.
7
Ein leises, aber beharrliches Brummen riss mich aus meinen Träumen, in denen mich Bryson, Dmitri und J. R. Ewing – allesamt in Cowboy-Klamotten – durch einen 7-Eleven gejagt hatten. Als ich ein Auge so weit geöffnet hatte, dass ich meine Umgebung wahrnehmen konnte, sah ich, dass das Geräusch von meinem Pager kam, der sich fröhlich brummend auf die Kante des Nachttischs zubewegte. Auf dem Display leuchte ein Code, der mir anzeigte, dass sich alle TAC-3-Mitglieder sofort an der Justice Plaza zu versammeln hatten. »Mist«, ächzte ich und griff mir Schuhe und Klamotten. Die Uhr neben dem Pager zeigte 23:30 – eine halbe Stunde später, und die 24-Stunden-Bereitschaft meiner Einheit wäre vorbei gewesen. Ich nahm es gelassen, denn angesichts meiner nicht enden wollenden Pechsträhne hatte ich nicht erwartet, die Nacht durchschlafen zu
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