Nocturne City 03 - Todeshunger
können.
Dmitri war immer noch nicht heimgekommen.
Lag er von einem anderen Rudel niedergeschlagen und ausgeraubt in irgendeiner Gasse oder ging er mir einfach nur genauso aus dem Weg wie ich ihm? Angesichts unserer letzten Aussprache war Letzteres wahrscheinlicher.
Nachdem ich mich angezogen hatte, machte ich mich eilig auf den Weg ins Zentrum. Auch wenn die Straßen Nocturnes nachts dunkel und gespenstisch wirkten, waren sie keineswegs leer. Meine Scheinwerferkegel erfassten neben einigen reichlich obskuren zwei- und vierbeinigen Gestalten auch jede Menge gewöhnliche Menschen, die mehr oder weniger betrunken die Devere Street entlangtaumelten. Es war Samstagnacht, es war Sommer, die Menschen waren in Ausgehlaune, und so strömte mit der angenehmen Nachtluft auch der Duft von Bier und Pheromonen ins Autoinnere.
Eine Gruppe Betrunkener taumelte vor den Fairlane, sodass ich abrupt bremsen musste. Erst nach mehrfachem Hupen bewegten sie sich langsam von der Straße, allerdings nicht, ohne mich verärgert aus übernächtigten Augen anzufunkeln. Auf dem Parkplatz standen bereits Fitzpatricks SUV mit dem »Bester Papa der Welt« -Aufkleber auf der Stoßstange, Batistas silberfarbener Sportwagen, ein unauffälliger Van der Reinigungsfirma und Eckstroms Motorrad – Allen war wie immer der Letzte.
»Sie sollten aufpassen, wo Sie langfahren, Lady!«, rief einer der Betrunkenen vom Eingang des Parkplatzes zu mir herüber.
»Hex noch mal!«, brüllte ich zurück. »Schieb deinen besoffenen Arsch aus dem Verkehr, dann passiert so was nicht!«
Der Mann begann, wild mit den Armen zu fuchteln, und machte Anstalten, auf mich loszustürzen, aber seine Freunde hielten ihn zurück. Er war klein, kräftig, hatte das Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden und trug ein kariertes Hemd mit glitzernden Silberknöpfen. Höchstwahrscheinlich sollte seine Aufmachung den Eindruck des harten Einzelgängers vermitteln, was mir aber wenig imponierte.
»Wenn Sie sich wirklich mit einer Polizistin anlegen wollen …«, rief ich ihm zu und krempelte die Ärmel hoch, »… dann kommen Sie doch rüber, verdammt noch mal!«
Er stürmte wieder los, und diesmal konnten ihn seine Freunde nicht mehr halten. Geschickt verlagerte ich mein Gewicht nach vorn und drehte den Körper zur Seite, um ihm eine möglichst kleine Angriffsfläche zu bieten. Den ersten Schlag musste ich ihm wohl oder übel gönnen, denn nur nach einem Angriff hatte ich das Recht, in aller Ruhe Kleinholz aus ihm zu machen, ohne eine Beschwerde wegen unangemessener Gewaltanwendung – von denen ich dank meiner Werwolfkräfte schon genug kassiert hatte – zu riskieren.
Kurz bevor er in Reichweite war, stieg mir ein Hauch seines Dufts in die Nase. Es war eine Mischung aus Zigarettenqualm, Abfall und dem Geruch verbrannten Buschwerks, in der ich nicht die geringste Spur von Alkohol feststellen konnte.
»Scheiße«, sagte ich laut.
Ich hörte das quietschende Geräusch einer sich öffnenden Schiebetür hinter mir. Schnell fuhr ich herum und sah zwei Männer mit ähnlich dunklem Haar und Teint aus dem Van der Reinigungsfirma springen und auf mich zustürmen.
Reflexartig griff ich nach der Pistole an meinem Gürtelholster, aber der »Betrunkene« kam mir zuvor. Mit festem Griff packte er mein Handgelenk, verdrehte es und riss mir den Arm hinter dem Rücken hoch.
»Halt still!«, zischte er. »Wehr dich besser nicht, Schlampe.«
Ich trat rückwärts aus, um sein Knie zu treffen, er war aber viel kleiner als ich, und so landete mein Fuß mit voller Wucht in Pferdeschwanz’ Gemächt. Er rang nach Luft und krümmte sich. Seine Nasenflügel blähten sich, und er musste sich mit dem Knie auf dem Asphalt abstützen, um das Gleichgewicht zu halten. Obwohl ihm der Schmerz anzusehen war und ihm der Schweiß auf der Stirn stand, schrie er nicht und ging auch nicht zu Boden. Verdammt zäher Hund.
Mir blieb nicht viel Zeit, um den Sieg über den Pferdeschwanzträger zu feiern, denn im nächsten Augenblick packten mich schon zwei starke Arme von hinten, die sich mit solcher Kraft um meinen Oberkörper schlangen, dass sie mir die Luft aus den Lungen quetschten. Eh ich mich’s versah, hob mich jemand hoch, und ich hing zappelnd und schreiend in der Luft. Anscheinend hörten aber weder meine Kollegen im Büro des Sondereinsatzkommandos noch sonst irgendjemand meine Hilferufe.
»Verpiss dich!«, kreischte ich, während sich mein Widerstand mit zunehmendem Luftmangel in panische Zuckungen
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