Nocturne City 03 - Todeshunger
Höchstwahrscheinlich ein Brakichak«, sagte Lucas.
»Der Geist eines wilden Wendigos, den ein Schamane beschwor, dem es nicht das Geringste ausmacht, wenn jemand von diesen Kreaturen gefressen wird.« Als ich ihn mit großen Augen anstarrte, fuhr er fort: »Höchstwahrscheinlich ist einer dieser Schamanen mit dieser Bande Wahnwitziger unterwegs, die dich entführt hat. Das würde auch die Zombiegestalten im Leichenhaus erklären. Aber wie gesagt – die Vernünftigen unter uns beschäftigen sich nicht mit Magie.«
»Wie finde ich die Bande, die mich entführt hat?«, fragte ich. »Kontrolliert einer wie du nicht sein Revier? Ich meine, du wirkst stark.«
»Das bin ich auch, und ein verdammt fieser Mistkerl noch dazu«, protestierte Lucas. »Aber ich bin nicht wie mein Vater. Er war der Letzte, bei dem es noch nach den Regeln der alten Schule ablief. Falls ich mich eines Tages für eine feste Partnerin entscheiden sollte, wird dieser Clan auseinanderbrechen, und neue Clans werden entstehen. So ist der Lauf der Dinge.« Er seufzte. »Wenn mir einer dieser Wilden über den Weg läuft, mache ich ihm den Garaus, aber ich kann sie nicht vollständig von diesen Wäldern fernhalten. Sie jagen, wo es ihnen passt.« Er zog sein Hemd hoch und zeigte mir zwei nässende Wunden auf seinem Bauch. »Das Ergebnis meiner letzten Begegnung mit einem dieser Burschen vor sechs Wochen.«
»Wenn ein Schamane … jemanden in eines dieser Dinger verwandelt«, fragte ich, »gibt es dann eine Möglichkeit, ihn oder sie wieder zurückzuholen?«
Lucas schüttelte den Kopf. »Uns Wendigos treibt der Hunger. Wir werden geboren, um zu jagen, und sind verdammt schwer zur Strecke zu bringen. Wenn einer unserer Schamanen dich in eine solche Kreatur verwandelt, dann ist das unumkehrbar.«
»Hört sich alles in allem nach einem verhältnismäßig einsamen Leben an«, sagte ich.
»Das ist es auch«, antwortete Lucas und sah mich wieder mit diesem eindringlichen Blick an. »Aber ich kann es mir nicht aussuchen. Ich denke, wir haben jetzt genug geredet.«
»Ich habe aber noch ein paar Fragen«, wandte ich ein.
Er zuckte die Achseln. »Schau, Luna, ich habe nichts zu verbergen, aber ich weiß, du wirst mir dieselben Fragen mit anderen Worten stellen, um mir daraus einen Strick zu drehen. Die Arbeit bei der Polizei hat dich verdammt arrogant gemacht.«
Nach einer längeren Pause fauchte ich: »Hex noch mal!«
Lucas lachte nur, wodurch sich sein Gesicht wieder aufhellte. »Das war nicht so gemeint. Ganz im Gegenteil – für einen verdammten Bullen bist du echt ganz akzeptabel!« Er klopfte mir aufs Knie und ging in die Küche. »Die Tortillas sind fertig. Wenn wir gegessen haben, können wir weiterreden. Aber dann solltest du dich auf den Heimweg machen. Die Straßen hier draußen sind nicht sicher, wenn die Wilden durch die Wälder streifen.«
»Ich kann auf mich aufpassen«, erwiderte ich gereizt.
»Daran habe ich keinen Zweifel, schließlich hast du mir die Nase platt gehauen«, entgegnete Lucas. »Bei diesen Dingern im Leichenhaus magst du Glück gehabt haben, weil sie zu jung und zu heißhungrig waren, um klar denken zu können. Wenn du aber auf wilde Wendigos triffst, die mit Magie ihr Unwesen treiben, hast du keine Chance, Luna.«
»Danke, dass du mir solchen Mut machst!«, murmelte ich. »Wie war s, wenn du mich zurück in die Stadt bringst und dem NCPD die Informationen über die wilden Banden gibst?«
»Kommt nicht in Frage«, entgegnete Lucas und stellte einen Teller mit Maistortillas auf dem kleinen Tisch vor mir ab. »Die Abmachung verbietet es. Du kannst nichts von mir verlangen, wofür ich getötet werden könnte.«
»Tut mir leid«, flüsterte ich. »Ich habe nicht gewusst, dass das Abkommen wirklich so ernst gemeint ist.«
»Es ist ein Überbleibsel alter Zeiten und letztlich nicht mehr zeitgemäß. Lohnt sich nicht mal, groß darüber zu sprechen.« Der missgelaunte Ton hatte sich wieder in seine Stimme geschlichen. »Jetzt iss. Dann bring ich dich bis zur Grenze unseres Reviers. Du solltest aus dem Wald sein, ehe der Mond aufgeht.«
Nachdem ich zwei Portionen des scharfen Chilis und einen Berg Tortillas verdrückt und mit ein paar Gläsern Eistee hinuntergespült hatte, bedeckte ich meinen Teller mit den Händen, als Lucas mir noch mehr auftun wollte.
»Nein danke. Es hat großartig geschmeckt, aber ich schaffe nichts mehr.«
»Aber du bist doch nur Haut und Knochen«, kritisierte Lucas und fühlte meinen Bizeps. »Was
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