Nördlich des Weltuntergangs
Die Pastorin interpretierte die Antwort so, dass man es ihr überließ, die Kirche selbst zu weihen.
Da der Bischof nicht kommen würde und auch keine andere geistliche Unterstützung in Aussicht war, organisierte sich Tuirevi Hillikainen ihre Hilfskräfte selbst. Zu ihrer Unterstützung bei der Zeremonie bestimmte sie Bauer Iisakki Matolampi, Frau Henna Toropainen und Frau Taina Korolainen sowie Organist Severi Horttanainen. Da Eemeli Toropainen nicht der Kirche angehörte, kam er nicht in Frage.
Es war ein Sonntag im Mai. Die Zugvögel waren zurückgekehrt und sangen aus voller Kehle. Die Knospen der Birken gingen auf. Das Seeufer war frei von Eis. Der Tag war schön, und das Volk strömte in die Kirche.
Pastorin Tuirevi Hillikainen trug einen Talar und eine Stola, die Hilfskräfte eine Art Messgewand. So gekleidet, versammelten sie sich in der Sakristei, wo die Pastorin ein kurzes Gebet sprach. Dann öffneten sie die Tür und schritten in feierlichem Zug in die Kirche, die Laien zuerst, die Pastorin als Letzte.
Horttanainen spielte die Orgel. Tuirevi Hillikainen sang:
Wie lieblich sind deine Wohnungen, Herr Zebaoth!
Der Chor der Laien bekräftigte:
Meine Seele verlangt und sehnt sich
nach den Vorhöfen des Herrn,
mein Leib und Seele freuen sich
in dem lebendigen Gott.
In diesem Stil ging es weiter. Als Weihe sprach Tuirevi Hillikainen die Worte:
»Möge diese Kirche dem Herrn, dem allmächtigen und gnadenreichen Gott, als Heiligtum dienen, in dem jetzige und kommende Generationen Ihm danken und Ihn preisen.«
Nach einem Gebet, einem Dankeslied und Glockengeläut erklärte die Pastorin noch, dass die Kirche nun geweiht sei und somit ausschließlich als Gotteshaus diene, also nicht mehr für Zwecke genutzt werden dürfe, die mit dem heiligen Charakter nicht in Einklang standen. Dann segnete sie ihre Gemeinde und schritt mit ihrem Gefolge wieder in die Sakristei.
Die Pastorin entwarf für die Gemeinde einen Gottesdienstplan und stellte außerdem ein Programm für kleinere Andachten auf. Diese Pläne setzte sie auch in die Tat um. Sonntags rief Glockengeläut die Leute in die schöne Einödkirche, wo sie das Wort Gottes hören konnten. Severi Horttanainen spielte die Orgel, und die Pastorin predigte mit eindringlichen Worten.
Wie in ihrem Arbeitsvertrag festgelegt, veranstaltete Tuirevi Hillikainen auch außerhalb der Kirche Andachten. So hielt sie etwa flammende Predigten in den Sümpfen hinter dem Hiidenvaara, wo neues Ackerland drainiert und ein tiefer Entwässerungskanal ausgehoben wurde. Die Pastorin sprach ein Gebet und flehte Gott an, dafür zu sorgen, dass der Kanal nicht riss und das Wasser darin zügig floss, dass den Arbeitern ihre Kräfte und nebenbei auch die Reinheit ihres Herzens erhalten blieben. Wenn die Männer zur Elchjagd aufbrachen, segnete die Pastorin die Waffen und appellierte an Gott, er möge den Jägern eine angemessene Menge Tiere vor die Flinte treiben. Wenn im Frühjahr in entlegenen Seen gefischt wurde, hielt sie ebenfalls eine kurze Andacht, nach der jeweils mit einem reicheren Fang als sonst gerechnet werden konnte.
Die Pastorin war auch anderweitig beim Fischen und Jagen und auf den Naturwiesen in entlegenen Gegenden eine große Hilfe. Sie war so zupackend und kräftig, dass sie das Zuggarn auf einer Seite allein ziehen konnte, während auf der anderen zwei, manchmal sogar drei robuste Männer erforderlich waren. Mit leichter Hand warf sie ein Netz in einen Waldsee und zog Dutzende Kilo Schuppenfisch ans Ufer. Einmal erlegte sie einen Elch, indem sie ihm einen Steinbrocken an die Schläfe schleuderte, worauf der König des Waldes betäubt umfiel. Wenn solche Wunder geschehen waren, versammelten sich alle Anwesenden, um dem Herrn zu danken, und das nicht ohne Grund.
Die Paare, die zusammenlebten, wurden getraut, und so bekam Henna Toropainen einen jungen Gatten, den Gehilfen Taneli Heikura. Bei der Gelegenheit wurde auch der gemeinsame Sohn auf den Namen Oskari Taavetti getauft. Im Laufe des Sommers traten drei weitere Paare vor den Traualtar. Nicht getraut wurden allerdings der Direktor der Kirchenstiftung, Eemeli Toropainen, und die Zugreinigungschefin Taina Korolainen. Sie lebten im christlichen Sinne in Sünde. Dieser Umstand rief bei den gläubigen Leuten, nicht zuletzt bei der Pastorin, einen gewissen Unmut hervor. Vorläufig mussten sie sich jedoch mit Eemelis Erklärung zufrieden geben, dass er keine kirchliche Trauung wolle, da er nicht der Kirche angehöre
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