Nördlich des Weltuntergangs
seine langen Waldskier an die Treppe gelehnt hatte. Es war die dunkelste Zeit des Winters und der Nacht, gegen die auch die silbernen Sterne nichts ausrichten konnten.
Frau Taina Korolainen erhob sich in der Schlafkammer von Eemelis Seite, zündete das Licht an, wickelte sich in ihren Morgenmantel und ließ den fremden Nachtwanderer ein. Der Ankömmling, ein alter Mann, trug einen Lodenumhang, darüber hing ein Kreuz. Seine Füße steckten in Lappenstiefeln mit gebogener Spitze, seine Pelzmütze war bis über die Ohren heruntergeklappt, an den Händen hatte er Fäustlinge aus Hundefell. Er war groß und hager. Seine Augenbrauen waren bereift und der Schnurrbart vereist. Sein Gesicht war blau vom Frost, und er zitterte am ganzen Körper.
Eemeli Toropainen kam in die Stube, er schürte das erloschene Kaminfeuer und legte trockene Birkenscheite nach, aus denen bald wärmende Flammen züngelten. Auch die schläfrige Dienstmagd erschien, sie setzte den Teekessel auf und ging dann wieder in ihre Kammer.
Der Gast eilte an den Kamin, um sich aufzuwärmen. Er hielt seine Hände ans Feuer und wischte sich den tauenden Reif vom Gesicht. Taina Korolainen legte ihm eine Decke um die Schultern. Eemeli holte aus der Schlafkammer eine Karaffe mit scharfem Kräuterschnaps und goss dem Nachtwanderer einen tüchtigen Schluck ein. Mit zitternden Händen griff der Alte nach dem Glas und kippte sich das feurige Getränk in die Kehle. Taina schenkte ihm Tee ein, den er ebenfalls gierig trank. Bald bekam er eine gesündere Gesichtsfarbe, er hörte auf zu zittern und brachte die ersten Worte heraus:
»Friede diesem Haus.«
»Danke, Ihnen ebenfalls. Es ist arg frostig draußen.«
»Das kann man wohl sagen.«
Nachdem er noch einen zweiten Schnaps hinuntergekippt hatte, erhob sich der Mann und gab seinen Gastgebern die Hand. Er sagte, er nehme an, dass er im Pfarrhaus von Ukonjärvi sei.
»Ich bin Julius Ryteikköinen, der Bischof von Kuopio«, stellte er sich vor.
»Wie lange waren Sie denn bei diesem Wetter unterwegs?«, erkundigte sich Eemeli Toropainen.
Der Bischof erzählte, dass er mit dem Zug von Kuopio nach Kontionmäki gereist war. Der Zug hatte Verspätung gehabt und war erst nachmittags auf dem Kreuzungsbahnhof angekommen. Bei solchen Frösten froren auch die Dampfloks ein, Elektroloks fuhren ja überhaupt nicht mehr. In seiner Begleitung hatte sich der Rechtsgelehrte Assessor Henriksson vom Domkapitel befunden. Sie hatten sich gegen Abend gemeinsam auf Skiern nach Ukonjärvi aufgemacht. Der Assessor wäre unterwegs beinah erfroren und hatte auf halber Strecke in einem Haus einkehren müssen, um dort zu übernachten. Aber der Bischof selbst war im Gottvertrauen weitergelaufen, war stundenlang unterwegs gewesen, hatte ein paarmal, zuletzt in Kalmonmäki, nach dem Weg gefragt und war nun endlich am Ziel angekommen.
»In Ihrem Alter sollte man nicht mehr so lange Strecken auf Skiern zurücklegen«, sagte Taina Korolainen tadelnd.
»Was soll man machen? Die Straßen werden höchstens noch nach den schlimmsten Schneestürmen geräumt, mit dem PKW kommt man nicht durch. Außerdem bezahlt das Bistum schon lange keine Kilometerpauschale mehr, nicht einmal dem Bischof, und Benzin ist selbst auf dem Schwarzmarkt nicht mehr zu haben…, da muss man sich ja selbst auf den Weg begeben.«
»So sind auch die Apostel seinerzeit gewandert«, bestätigte Eemeli Toropainen.
»Aber wohl nicht auf Skiern, das habe ich jedenfalls noch nie gehört«, meinte Taina Korolainen verwundert.
Die beiden Männer waren sich einig, dass die Apostel vermutlich Ski laufen gelernt hätten, wenn es in Palästina Schnee gegeben hätte. Es war schließlich angenehmer, auf Skiern dahinzugleiten, als durch dicken Schnee zu waten. Eemeli Toropainen fragte, in welcher Angelegenheit der Bischof unterwegs war. War er auf einer Inspektionsfahrt? »Ich bin gekommen, um Ihre Kirche und Ihren Friedhof zu weihen. Die Bischofskonferenz hat im Herbst einen entsprechenden Grundsatzbeschluss gefasst. Ich wollte eigentlich gleich anschließend kommen, aber meine Gallensteine machten mir zu schaffen, man hat sie mir herausoperiert.«
Der Bischof zog aus den Falten seines Umhangs eine Glasflasche, in der ein paar kleine Steine klimperten. Eemeli Toropainen beäugte sie im Schein des Kaminfeuers.
»Hübsche Steine«, bestätigte auch Taina Korolainen.
Bischof Ryteikköinen barg die Flasche wieder in seinem Umhang.
Die Teilnehmer der Bischofskonferenz hatten die Tatsache
Weitere Kostenlose Bücher