Nördlich des Weltuntergangs
den Grünen in der Hütte herumzuliegen. Da die Kirche so gut wie fertig war, hatten sie nichts mehr zu tun.
Severi machte einen Vorschlag:
»Wir könnten Assers Bude in Kalmonmäki abreißen und hier als Pfarrhaus neu aufbauen. Dort braucht kein Mensch das große Haus, es steht bloß leer und kühlt aus.«
Tatsächlich! Das Haus in Kalmonmäki war verwaist. Assers Schwestern hatten sich im Altenheim von Nur mes Wohnungen gekauft. Sie hatten nicht die Kraft, das große Gebäude mit der riesigen offenen Wohnstube und den vielen kleinen Zimmern warm und sauber zu halten.
Eemeli fuhr gemeinsam mit Severi Horttanainen nach Kalmonmäki, um den Zustand des Hauses zu prüfen. Zwanzig Meter lang und mehr als zehn Meter breit, war es um die Jahrhundertwende aus schweren Balken errichtet und später mit Brettern verschalt worden. Die Balken waren aus gesunder Kiefer mit hohem Kernholz prozent: Schlug man mit der stumpfen Seite des Beils dagegen, entstand ein voller, dunkler Ton.
Man konnte also mit den Ausschachtungen für das Pfarrhaus beginnen, das schräg zur Kirche am gegenü berliegenden Ufer des Sees, jenseits des Flusses Ukon joki, stehen sollte. Die Sockel wurden verschalt und mit Planen geschützt, und sowie einigermaßen gelindes Wetter herrschte, wurde das Fundament gegossen. Gleichzeitig trugen einige der Männer Assers Haus ab und luden die Balken auf Anhänger. Diese wurden mit dem Traktor zum neuen Standort gefahren, wo das Haus wieder hochgezogen wurde. Nur zwei, drei der untersten Balken waren morsch und mussten erneuert werden. Die Außenseite wurde jeweils abgebeilt, wonach das Gebäude ebenso neu aussah wie die gerade fertig gestellte Kirche, nur dass das Holz einen leichten Rotton hatte, da die Bäume fast hundert Jahre zuvor gefällt worden waren. Die Balken waren trocken und leicht, und die Arbeit ging den Männern spielend von der Hand.
Der Dachstuhl wurde erneuert, genauso die Beda chung sowie Türen und Fenster. Die breiten Fußboden bretter wurden abgeschliffen und erneut verwendet. Nach zweimonatiger unermüdlicher Arbeit war das Pfarrhaus fertig. In den Hang des Hügels wurde ein Brunnen gegraben, aus dem eine Wasserleitung in die Küche führte. Henna trug schleunigst ihre Sachen aus der Saunakammer in das geräumige Pfarrhaus. Sie fühlte sich fast so, als hätten sie und Eemeli wieder geheiratet. Es wurmte sie ein wenig, dass sie die Schei dung durchgesetzt hatte, aber der Konkurs der Firma hatte nun mal das ganze Familienleben durcheinander gebracht.
Henna ließ Tainas Sachen in der Sauna zurück und bedachte sie im Gehen mit einem giftigen Blick.
Während des ganzen vergangenen Sommers hatten sich jede Menge Leute am Ukonjärvi aufgehalten: neu gierige Dorfbewohner, die die Fortschritte des Baus begutachten wollten, Landvolk aus der weiteren Umge bung, Beamte, Presseleute, Touristen. Im Herbst war der Menschenstrom ein wenig abgeebbt, doch im Winter und jetzt im Frühjahr ging es wieder lebhafter zu. In den Medien war sowohl über den Bau der Kirche als auch über den des Pfarrhauses ausführlich berichtet worden. Die Grünen am Hiidenvaara hatten vielen Zeitungen Interviews gegeben, und sich dabei für den Schutz der Einödlandschaft von Kainuu stark gemacht. Nach gro ben Schätzungen erschienen wöchentlich hundert, in den besten Zeiten sogar zweihundert Leute, um die Kirche, das Pfarrhaus und den Direktor der Kirchenstif tung zu bestaunen. Man konnte von einer regelrechten Touristenflut sprechen, die als Folge der Berichterstat tung den Ort überschwemmte. Je weiter der Frühling voranschritt und je wärmer das Wetter wurde, desto mehr Leute kamen. Autos wurden auf dem Friedhof und dem Kirchenhügel geparkt, wenn die Straßenränder voll waren, und Campinganhänger sorgten zusätzlich für Staus. Die Besucher standen herum und glotzten auf die Kirche, sie gingen auch hinein, um sich alles anzu sehen, und trugen dabei Schnee und Schmutz ins Inne re. Eemeli Toropainen musste viele unsinnige Fragen beantworten:
»War Ihr Großvater geisteskrank?«
»Wie viele Kirchen hat Asser Toropainen tatsächlich in seinem Leben niedergebrannt?«
»Wann stellt der Kommissar Sie vor Gericht?« »Wie viel kostet heutzutage der Bau einer Kirche?« »Wie rentiert sich das Kirchenbusiness in Zeiten der
Rezession?«
»Glauben Sie, dass Gott Ihnen zürnt, weil Sie uner laubt eine Kirche gebaut haben? Ist Ihnen nicht bange?«
Eemeli Toropainen bemühte sich, Verständnis
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