Nördlich des Weltuntergangs
Durch die mit Eisblumen be deckten Kirchenfenster schimmerte das warme Licht der Kerzen. Die Menschen fühlten sich glücklich, als sie aus der Entfernung zurückblickten und das schöne Gebäu de betrachteten, das da in der Winternacht ruhte. Dann trennten sie sich, um in die Weihnacht hineinzuschla fen, die Zimmerleute und die Grünen liefen auf Skiern zum Hiidenvaara, die Bauersleute zu ihrem Gehöft, Taina und Eemeli zu ihrer Sauna.
Während die Menschen schliefen, schlüpfte eine klei ne Hausmaus durch die angelehnte Tür aus der Sakris tei in die von Kerzen erleuchtete Kirche. Es war dasselbe Tierchen mit den runden Ohren, das an Assers Todestag in Kalmonmäki hinter dem Ofen hervorgelugt hatte. Das Mäuschen hatte sich, bald nachdem Asser gestorben war, ein Nest in den Decken des Toten gemacht, und als der Leichnam fortgeschafft war, hatte es das Sterbebett ganz für sich allein gehabt. Nachdem dann die Betten gereinigt und auf den Boden gebracht worden waren, hatte sich die Maus in Assers alter Pelzmütze eingenis tet. In ihren Falten verborgen, war das kleine Fellknäuel mit zum Ukonjärvi umgezogen. Um ein Haar wäre es einbetoniert worden, als Assers Mütze in den Grund stein der Kirche eingemauert wurde. Später hatte das Mäuschen mit Taina und Eemeli in der Sakristei ge wohnt, ohne groß auf sich aufmerksam zu machen, und seit die beiden ausgezogen waren, war es dort der allei nige Herr.
Jetzt huschte es durch die Gänge der Kirche, warf einen Blick nach oben zur gewölbten Decke, turnte über die Fenster, biss mit seinen kleinen Zähnen ein winziges Stück von einem Kerzenstumpf ab, trippelte zur Probe auf die Kanzel. Dort blitzten die runden Ohren über dem Kapitell auf. Das Tier blickte so konzentriert wie ein Pastor, der anfangen will zu predigen, aber es öffnete nicht sein Schnäuzchen, sondern war mäuschenstill.
Die Natur draußen schlief: Die Birkhühner gruben sich tiefer in ihre Schneekuhlen, die Eichhörnchen drängten sich in ihren mit Bartflechte isolierten Nestern aneinander, und die Königin der Ödwälder von Valtimo, die Braunbärin, hatte einen flüchtigen Wintertraum. Sie träumte von den Leckereien des Spätsommers, von dicken, saftigen Moltebeeren im Moor und von dem leckeren Postbeamten aus Valtimo.
9
Die Bronzeglocke der Kirche am Ukonjärvi wurde zum ersten Mal in der Neujahrsnacht 1992 geläutet. Der Gehilfe Taneli Heikura kletterte, beflügelt vom Bier, in den Dachstuhl und zog um Mitternacht den Strang. Später erfuhr man, dass das Läuten bis nach Kalmon mäki zu hören gewesen war, und bis dorthin waren es mehr als anderthalb Kilometer Luftlinie.
Der Bursche mit den unempfindlichen Ohren läutete die Glocke länger als eine Stunde, ehe man ihn überre den konnte, herunterzukommen. Noch am Dreikö nigstag klagte er, dass seine Ohren im Takt der Glocken klangen. Eemeli versprach, ihn zum Kirchendiener von Ukonjärvi zu machen, falls die Kirche eines Tages in Betrieb genommen werde und man jemanden zum Glo ckenläuten brauche.
Frau Taina Korolainen reiste Anfang des Jahres nach Vaasa ab, um ihre Arbeit als Zugreinigungschefin wieder aufzunehmen. Ein paar Tage später erschien Eemelis Ex-Frau Henna am Ukonjärvi. Sie hatte von Taina eine Weihnachtskarte bekommen, auf der ihr diese von ihren Reiseplänen berichtet hatte. Henna packte Tainas Sa chen in Pappkartons und stellte sie in die Ecke des Umkleideraumes der Sauna. Dafür räumte sie überall ihre eigenen Sachen ein. Eemeli musste sich notgedrun gen in das Arrangement fügen. Letztlich waren die Ver änderungen nicht groß, eine andere Frau, die Qualität des Essens geringfügig verändert, doch sonst blieb so ziemlich alles beim Alten. Henna sagte, dass sie abreisen wolle, wenn Taina wieder nach Kainuu zurückkomme. Irgendwann im Frühjahr vielleicht.
In der Saunakammer befanden sich also die Sachen von zwei Frauen. Es wurde langsam eng. Henna fragte, ob Eemeli nicht jetzt, da er eine Kirche hatte, auch ein Pfarrhaus bauen müsse.
Eemeli erklärte darauf, dass es schwierig sei, mitten im Winter mit dem Bau eines großen Hauses zu begin nen. Dazu müsse man wieder irgendwo hinter dem Hiidenvaara Bäume fällen und die Stämme abbeilen, was bei Frost eine unangenehme und schwere Arbeit sei. Günstiger wäre es, man fände irgendwo ein altes Gebäude, das man abtragen und hier am Seeufer wieder aufbauen könnte.
Severi Horttanainen und seine Männer waren es in dessen leid, bei
Weitere Kostenlose Bücher