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Nördlich des Weltuntergangs

Titel: Nördlich des Weltuntergangs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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gewissen Menge an eini­ germaßen anständigem Rotwein ausgestattet werden. Möglicherweise wurden auch noch andere Dinge ge­ braucht. Eemeli kannte die liturgischen Abläufe nicht so genau, dass er eine komplette Liste hätte erstellen kön­ nen.
    Severi Horttanainen baute den Altar, der seinen Platz vor der Rückwand des Ostkreuzes, neben der Tür zur Sakristei bekam. Bei der Gelegenheit hobelte Severi auch gleich noch ein großes Kreuz aus Kiefernholz, das er an die Wand hinter dem Altar nagelte. Seiner Mei­ nung nach eignete sich das Kreuz dort als Zierde zu­ mindest so lange, bis ein Altargemälde angeschafft wäre.
    Die Kanzel kam in den Innenwinkel zwischen Ost­ und Südkreuz. Eemeli und Severi Horttanainen bauten sie gemeinsam. Als Material verwendeten sie gehobelte Kiefer. Sie beschlossen, dieses Pult des Pastors zwei Meter über dem Fußboden anzubringen. Eine Treppe mit Geländer gehörte natürlich dazu. Die äußersten Ecken der Kanzel schrägten sie ab, und an jeder flachen Seite fertigte Horttanainen Zierkassetten aus gehobelten Leisten. In die breite Mittelfläche schnitzte er seine Auffassung vom Universum: den Erdball, Wolken und dahinter den lieben Gott. Horttanainens Vorstellung vom Allmächtigen war absolut konventionell: ein alter Mann mit langem Haar und Bart, in der Hand eine Art Zepter. Darunter schnitzte Horttanainen das Bild eines boshaft aussehenden, spitzbärtigen Schelms, der ver­ mutlich den Teufel darstellen sollte.
    Eemeli nutzte die Gelegenheit, in die Innenseite der Kanzel, an die Stelle, wo der Pastor stand und laut in die Kirche hineinpredigte, das Abbild seiner Ex-Frau Henna zu schnitzen. Das Messer rutschte ihm viele Male bei
    der Arbeit aus, trotzdem brachte er eine Ähnlichkeit zustande. Auf ihrem geschnitzten Abbild hatte Henna Toropainen den Mund geöffnet und den Zeigefinger erhoben.
    Der Gehilfe Taneli Heikura bekam die Aufgabe, den oberen Rand der Kanzel mit Maiglöckchen und Vergiss­ meinnicht zu verzieren. Er machte das außerhalb der Arbeitszeit und bekam fünfundzwanzig Mark für ein Maiglöckchen, zehn für ein Vergissmeinnicht. Ein loh­ nender Auftrag, denn die Kanzel war ziemlich groß, sodass recht viele Blumen erforderlich waren.
    Als die Grünen vom Hiidenvaara die Schnitzereien sa-hen, waren sie voll des Lobes und fanden, dass die Blumen sehr natürlich aussahen. Sie boten an, in den unteren Rand Pflanzen zu schnitzen, zum Beispiel selte­ ne Gewächse aus der Umgebung. Von dem Vorhaben wurde Abstand genommen, nachdem man die Pflanzen­ sammler zunächst probehalber hatte schnitzen lassen, denn der Rand zersplitterte dabei und musste hinterher völlig erneuert werden.
    In der Woche vor Weihnachten wurden die Stufen vor dem Eingang der Kirche mit dichten Fichtenreisern bedeckt und im Innenraum wurden Kronleuchter aus geflammter Birke aufgehängt. Der Altar wurde mit einem weißen Leinentuch bedeckt, auf die Fensterbretter ka-men Vasen, die die Grünen mit Preiselbeerreisern und duftenden Wacholderzweigen füllten. Taina Korolainen fertigte gemeinsam mit der Bäuerin Matolampi große Weihnachtsdekorationen aus Stroh an, die sie an die Kronleuchter hängte.
    Die neue Einödkirche war sehr schön, sowohl von außen als auch von innen. Obwohl sie nicht geweiht und ein in vieler Hinsicht unerlaubtes Gebäude, sozusa­ gen geistlich wild war, wohnte andächtiger Frieden darin. Es schien Eemeli Toropainen, als habe Asser gerade das angestrebt, als wolle der alte Kirchenbrand­ stifter vielleicht so die »feurigen« Sünden seiner Jugend büßen.
    Wenn doch Asser jetzt das Ergebnis seines Testa­ ments sehen könnte! Es war eine Kirche, die man sogar Gott zeigen konnte. Und wenn es den Allmächtigen wirklich gab, nahm er seine neue Kirche bestimmt in Augenschein, so viel Neugier war ihm zuzutrauen.
    Am Heiligabend gingen alle in die Sauna, anschlie­ ßend gab es bei den Matolampis ein festliches Abendes­ sen. Kohlrübenauflauf, Schinken, Heringssalat, Maräne, Zander, kleine Maränen, in Brotteig gebacken. Tainas selbst gebrautes Bier schmeckte ausgezeichnet. In der Nacht suchte die ganze Gesellschaft gemeinsam die Kirche auf und zündete die Kerzen an. Die Frauen san-gen einen Psalm. Und nun war man allgemein der An­ sicht, dass es gut wäre, einen Pastor einzustellen.
    Als die Feiernden die Kirche verließen, entzündeten sie vor dem Eingang zwei Teerfackeln. Die in der Frost­ nacht lodernden Flammen warfen ein Spiegelbild auf das klare Eis des Sees.

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