Nördlich des Weltuntergangs
notwendigen Arbeitsgeräte für die Männer, Brecheisen, Hacken, Spaten und Seile aufgela den. Die Partisanen hatten sich bereits am Vortag auf Skiern nach Sotkamo aufgemacht. Das Wetter war ziemlich mild, es fiel Schneeregen. Bis ins Kirchdorf waren es etwa vierzig Kilometer und so schätzte man, dass der alte Wallach in der Nacht das Ziel erreichen würde. Dann war es dunkel, und man konnte auf dem abgelegenen Gelände mit den heimlichen Ausgrabungs arbeiten beginnen.
Alles verlief nach Plan. Gegen Mitternacht traf der Schlitten auf dem stockdunklen Friedhof ein. Es fiel immer noch Schneeregen, der Wind fauchte, feuchte Schneeklumpen fielen von den Zweigen der Bäume. Es war ein rechtes Höllenwetter. Lautlos lenkte Horttanai nen das Pferd auf den neueren Teil des Friedhofes, wo Asser begraben lag. Dort warteten zehn Partisanen in Schneeanzügen, nass und durchgefroren.
Zunächst wurde eine Wache zum Eingang des Fried hofes geschickt. Dann stellten die Partisanen auf dem Stein des Nachbargrabes eine Sturmlaterne auf, luden im flackernden Licht das Werkzeug aus und machten sich forsch an die Arbeit. Der Boden war fest gefroren, die Brechstangen und Hacken schlugen Funken, als die Männer die vereiste Erdschicht durchstießen.
In einiger Entfernung stand Pastorin Tuirevi Hillikai nen, faltete die Hände und schickte ein wortloses Gebet zum Himmel. Sie versuchte Gott zu überzeugen, dass sie keine wirklich große Sünde begingen, auch wenn sie in höllischer Finsternis unterwegs waren und aus geweih ter Erde einen offiziell dorthin ausgesegneten Toten raubten.
Severi Horttanainen gab dem Pferd Heu zu fressen. Eemeli Toropainen stand am Grab seines Großvaters und rauchte. Die Grube war bereits ziemlich tief, die vereiste obere Schicht war abgetragen, und jetzt hoben die Partisanen Erde aus dem Grab. Zwei Männer arbei teten jeweils in der Grube, zwei schaufelten oben die Erde vom Grab weg, zwei ruhten sich aus, und die anderen standen am Eingang des Friedhofs Wache.
Nach etwa einer Stunde war aus den Tiefen der Grube dumpfes Dröhnen zu hören. Der Spaten war auf den Sarg gestoßen. Offensichtlich hatte man an der richtigen Stelle gegraben. Eine kurze Pause wurde eingelegt, dann ging es weiter. Als der Sarg freigeschaufelt war, wurden Seile darunter hindurchgezogen, jeweils zwei Männer packten die Enden. Acht Mann hatten Mühe, den schweren Zinksarg heraufzuziehen. Womöglich wäre der Sarg in den kalten Schoß der Erde zurückgeglitten, wenn die Pastorin nicht eingeschritten wäre. Sie forderte Eemeli Toropainen auf, beiseite zu treten und ergriff das Seil, das ihm entglitten war. Dank ihrer tatkräftigen Hilfe kam der schwere Sarg dann tatsächlich an die Oberfläche.
Man erwog kurz, den Sargdeckel zu öffnen und nach zusehen, in welchem Zustand Asser jetzt war, nachdem er acht Jahre im Grab gelegen hatte.
»Sollten wir nicht nachprüfen, ob Asser wirklich in dem Sarg drin ist?«, fragte einer der Partisanen.
»Wer hätte ihn denn inzwischen austauschen sollen?«, erwiderte Eemeli Toropainen und ordnete an, den Sarg auf den Schlitten zu stellen und mit Heu zu bedecken. Im Schein der Sturmlaterne wurde das Grab zugeschau felt, bis gegen zwei Uhr morgens alles fertig war. Die Soldaten verteilten noch Schnee über den Hügel, damit die Spuren der nächtlichen Tat nicht zu sehen waren. Dann gab Feldwebel Naukarinen leise das Kommando, die Wachen abzuziehen und Aufstellung zum Abmarsch zu nehmen. Die Soldaten schnallten die Skier unter. Horttanainen lenkte den Wallach ins Kirchdorf. Weil der Schlitten jetzt schwer beladen war, gingen Eemeli Toro painen, der Kutscher und die Pastorin zu Fuß hinterher.
Der Schneeregen und der böige Wind hielten an. Es war wirklich ein Hundewetter. Vielleicht war das der Grund, warum die Köter des Kirchdorfes auf den Lei chenzug aufmerksam wurden. Oder verströmte Asser Toropainens erdiger Zinksarg einen Geruch, der Hunde nasen besonders reizte?
Eine seltsame Karawane bewegte sich durch die Nacht, angeführt von zehn Soldaten in Schneeanzügen und auf Skiern. Hinter ihnen trabte ein alter Wallach mit grauer Mähne, der einen schwer beladenen Schlitten zog, und den Abschluss bildeten drei Fußgänger, zwei Männer und eine Frau. Letztere trug ein weißes Beff chen, das schwach im Dunkeln leuchtete. Dieser merk würdige Zug wurde begleitet von einer kläffenden Hun demeute, die das ganze Kirchdorf aufweckte. In den Häusern an der Straße flammte
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