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Nördlich des Weltuntergangs

Titel: Nördlich des Weltuntergangs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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Geld kostete, während ein Ochsenpaar seine acht Klauen als Antrieb hatte. Ochsen brauchte man nicht zu reparieren, sie gingen nicht so ohne weiteres kaputt. Als ehemaliger Taxifahrer wusste er, wie teuer die Reparatur von Ma­ schinen war. Hatten die Ochsen mal irgendeine Krank­ heit, wurden sie meist von selbst wieder gesund, und falls die Krankheit tödlich war, gewann man sogar noch Wurst und Filet. Ein abgenutzter Traktor stand nur herum und verschandelte die Gegend, aber aus der Haut eines Ochsen konnte man Stiefelleder machen und aus den Knochen Seife kochen.
    Sorjonen erzählte, dass die Ochsen von Ukonjärvi so-gar Namen hatten, auf die sie auch hörten.
    »Der alte da hinten am Waldrand, der die Stubben aus dem Boden zieht, heißt Eemeli«, erklärte er und schielte dabei zu Toropainen. »Weil er schon ein biss­ chen klapperig ist, überlegen wir, ob wir ihn im Herbst schlachten sollen.«
    Eemeli Toropainen nahm zum Schicksal seines Na­ mensvetters nicht Stellung. Stattdessen sagte er:
    »All das mag vielleicht primitiv aussehen, so als lebten wir noch im neunzehnten Jahrhundert. Aber vor zwei­ hundert Jahren hatten die Leute nicht den heutigen Wissensstand, und wenn nur einmal die Ernte durch Frost vernichtet wurde, gab es eine Hungersnot. Unsere Vorväter verstanden es nicht, sich auf eventuelle harte Zeiten einzurichten, sie aßen ihre Pferde auf und koch-ten aus dem überschüssigen Getreide Schnaps.«
    »Wenn der Mensch nicht zu gierig ist, sind genug Re­ serven für alle da, und sie gehen niemals aus, sondern wachsen ständig nach und vermehren sich«, behauptete Sorjonen. Der Berater gab zu bedenken, dass, wenn das Beispiel von Ukonjärvi Schule machte, die Welt in Kuh­
    scheiße ertränke.
    »Es käme auf einen Versuch an.«
    Es war Mittagszeit. Die Ochsen wurden ausgeschirrt und zum Fressen geschickt. Die Arbeiter versammelten sich auf der Wiese am Seeufer. Ihre Frauen breiteten Leinentücher über das Gras und servierten deftige länd­ liche Kost: gesalzenen Fisch, Schweinesülze, Roggen­ brot, Piroggen, Butter, Käse. Sie entzündeten ein Lager­ feuer und kochten Kräutertee. Dann hoben sie das Bierfass vom Wagen und rollten es zum Lagerplatz, um den durstigen Arbeitern die Krüge zu füllen. Einer der älteren Männer nahm aus einer mitgebrachten Flasche einen Schluck Schnaps.
    Der Landwirtschaftsberater aus Sotkamo verschlang eine Pirogge, die mit Rührei belegt war. Er schlürfte Bier und machte sich dann über die Sülze her. Der Mann hatte großen Hunger.
    Nach dem Essen bat Toropainen ihn, seinen Laptop einzuschalten und nach einer Statistik zu suchen, die die Leistungen von Spitzentechnik mit der von Ochsen verglich.
    Berater Pärssinen erklärte, dass das nicht möglich sei, er habe eigentlich keine neuen Zahlen…, alles, was an Statistiken und Produktionsplänen in seinem Com­ puter gespeichert sei, sei veraltet, stamme aus vergan­ genen Jahren.
    »Wir haben schon lange keine neuen Direktiven aus Europa mehr bekommen«, bedauerte er.
    Außerdem waren viele Pläne nicht auf die jetzigen Notstandsbedingungen in Finnland übertragbar. Aus seinem Laptop konnte er zwar die Erntepläne für Wein­ trauben und die Produktionsmethoden für Zitrusfrüchte abrufen, aber zur Roggenernte gab es keine neuen Da-ten. Der Berater gestand, dass er auf seinem Laptop keine Verbindung mehr zu den europäischen Zentralen herstellen konnte. Dort schien alles drunter und drüber zu gehen. Auch war er selbst nicht mehr so richtig bei der Sache. Man schuldete ihm bereits das Gehalt eines halben Jahres.
    Eemeli fragte, wovon er denn lebe, wenn er gar kein Gehalt bekomme.
    »Nun, ich klappere die Höfe ab, berate die Bauern und verteile Listen. Oft bekomme ich etwas zu essen, manchmal kann ich mir sogar noch ein wenig nach Hause mitnehmen. Man muss sich irgendwie durch­ schlagen, und andere Arbeit gibt es ja nicht.«
    Eemeli Toropainen bot an, dass er in Ukonjärvi arbei­ ten könne, wenn es ihm so schlecht gehe.
    Der Berater nahm begeistert an. Dann fragte er schüchtern:
    »Aber ich habe in Sotkamo meine Frau und meine Mutter…, dürfen die auch herziehen?«
    »Sicher, für die beiden Frauen haben wir auch noch Platz.« Pärssinen sagte, dass er die Frauen gleich am nächsten Tag aus Sotkamo holen werde. Gegen freie Verpflegung wollten sie dann fleißig arbeiten.
    25
    Im Januar 2007 herrschte ungeheuer strenger Frost. In den Städten froren die Menschen, da es nicht genug Öl für die Heizung gab.

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