Nördlich des Weltuntergangs
Möglicherweise waren in dem See auch große Hechte gefangen worden. In dem kleinen See schwamm ein Schwanenpaar, es hatte schon mit dem Nisten begonnen.
Einen knappen Kilometer weiter nördlich folgte der Hiidenjärvi-See. Das Dorf Grünberg am Hang des Berges war inzwischen dicht besiedelt. Dutzende von Blockhüt ten standen dort und auch ein paar größere Häuser. Hundegebell war zu hören.
Am Südzipfel des Sees bog der Weg nach Osten ab, führte in tiefer liegendes Land. Taina und Eemeli fuhren einige Kilometer auf dem staubigen Weg dahin. Sie redeten nicht viel miteinander, es war so friedlich und irgendwie feierlich, dass Worte nur störten.
Sie kamen am Berg Uuranvaara vorbei, der einen ziemlich steilen Hang hatte. Hier machten sie wieder eine Pause, um das Pferd zu tränken.
Eemeli zog sich die Lederstiefel aus und wickelte seine Fußlappen neu.
»Musst du unbedingt diese Lumpen nehmen, obwohl ich haufenweise Wollsocken gestrickt habe?«, schimpfte Taina.
Am Berg hatten sich die Jungen der umliegenden Dörfer aus Balken und Brettern eine Skisprungschanze gebaut. Im vergangenen Winter war dort ein neuer Rekord aufgestellt worden, einunddreißig Meter. Der alte Severi Horttanainen hatte es nicht lassen können und war ebenfalls hinuntergesprungen. Dabei hatte er sich außer seinen Skiern auch den Unterschenkelknochen gebrochen.
»Vorige Woche hat Severi seine Krücken in den See geworfen«, wusste Taina zu berichten, als sie an der Sprungschanze vorbeifuhren.
Gut einen Kilometer weiter kamen sie endlich in das Dorf Sepänkylä. Es lag am Fluss Heinäjoki zwischen weiten Naturwiesen und dichten Wäldern. Diese Gebiete hatte Eemeli seinerzeit für einen Spottpreis vom Ge meinwald Valtimo gekauft. Größerer Einschlag war, zumindest vorläufig, nicht vorgenommen worden. Ledig lich ein paar Dutzend Hektar Ackerland wurden gerodet, man hatte zunächst Bäume gefällt und dann die Fläche geschwendet, um anschließend Roggen auszusäen. Dann hatte man die Schwende als Weideplatz benutzt und schließlich umgepflügt. Am Rande der Felder lag das Dorf, zu dem etwa zwanzig Häuser und die Schmie de gehörten, die am Flussufer stand. Von dort klang gleichmäßiges Hämmern herüber, die Somalis schmie deten Eisen.
Das Ehepaar Toropainen erreichte die Schmiede ge-gen Mittag. Sie führten das Pferd hinter den Schuppen, wo es schattig war. Ein wütender Spitz kam auf sie zugelaufen und bellte, doch als er die Ankömmlinge erkannte, schämte er sich und lief in die Schmiede, um den Besuch zu melden. In der Tür erschien ein großer schwarzer Mann, doppelt schwarz, denn der Somali war von seiner Arbeit rußig geworden. Seine beiden ebenso schwarzen Gehilfen lugten über seine Schulter.
»Tag, Joose, was hämmerst du denn Schönes?«, fragte Eemeli den Schmied, der mit richtigem Namen Josif Nabulah hieß. Er hatte sich Ende des vergangenen Jahrtausends als Flüchtling nach Finnland verirrt.
»Tag, Taina und Eemel«, grüßte der Schmied. »Tag, Tag«, sagten auch seine Gesellen. Der Schmied erzählte, dass er Schlittenkufen fertige.
Zum nächsten Winter seien fünfzig Paar bestellt worden. Jetzt, da er die Mähmaschinen und die anderen Som mergeräte instand gesetzt hatte, bliebe ihm Zeit, für den nächsten Winter vorzuarbeiten.
Bessere Schmiede als die Somalis gab es weit und breit nicht, dachte Eemeli bei sich. Schon in ihrem Heimatland waren sie sehr geschickt in der Eisenbear beitung gewesen. Außerdem machten sie auch Blechar beiten und beherrschten das Verzinnen. Schöne Formen entstanden unter ihren Händen, und sie beklagten sich nicht über die Hitze an ihrem Arbeitsplatz.
Der Somali führte seine Gäste in die Schmiede, um ihnen die Kufen zu zeigen. Eemeli nahm ein fertiges Exemplar in die Hand und ging damit nach draußen, um es im Sonnenlicht zu betrachten. Er fuhr über die glatten Kanten und prüfte die Festigkeit der Schleife. Obwohl die Kufe handgearbeitet war, war sie gleichmä ßig, als wäre sie aus dem Schlund eines Walzwerkes gezogen worden.
»Daheim in Afrika gab es ja keine Schlittenkufen, ich kenne sie erst, seit ich hier bin. Sind sie dafür nicht gut geworden?«, lobte der Schmied seine Arbeit. Eemeli bestätigte es gern.
Dann sprachen sie über die eventuelle Gründung ei ner Gießerei. Es gab nämlich kaum noch Ersatzteile für die Dreschmaschine oder für andere Landmaschinen. Falls überhaupt noch irgendwo Maschinen hergestellt wurden, hatte niemand das Geld,
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