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Nördlich des Weltuntergangs

Titel: Nördlich des Weltuntergangs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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Einla­ gerung von Lebensmitteln und die Einberufung der jüngeren Reservisten zu zusätzlichen Übungen. Arkadi Lebedew und seine Landsleute wurden interniert und im Gefängnis von Rajakylä festgesetzt. Organist Severi Horttanainen, der schon allein wegen seines Alters zur Landwehr gehörte, wurde nach Kajaani geschickt, um Informationen darüber einzuholen, wie sich die finni­ sche Armee zum dritten Weltkrieg verhielt. Die Fragen lauteten: Aus welcher Richtung erwartete man den Angriff des Feindes? Beabsichtigte Finnland zu kämpfen und wenn, mit welchem Einsatz? Wo wollte man angrei­ fen, falls diese Alternative zur Debatte stand?
    Horttanainen war noch sehr agil, obwohl er inzwi­ schen schon siebenundsiebzig war. Er kehrte nach ein paar Tagen aus Kajaani zurück und wusste zu berich­ ten, dass die Brigade von Kainuu »irgendwohin« ge­ schickt worden war, wohin genau, war Kriegsgeheimnis. Vermutlich in den Süden, auf die großen europäischen Kriegsschauplätze, etwa nach Polen, vermutete Hortta­ nainen, oder gar in die Alpen oder auf den Balkan, so jedenfalls lauteten die Gerüchte, die in Kajaani im Um­ lauf waren. Unter Umständen rief die Verteidigung Europas die finnischen Soldaten sogar in die entfernten Ecken des Kontinents.
    In Kajaani herrschte insgesamt große Unruhe. Le­ bensmittel gab es in den Läden nicht mehr, alles war weggehamstert worden. Die Leute hatten Horttanainen gefragt, ob sie nach Ukonjärvi fliehen dürften, falls Kajaani bombardiert werde und es eine Hungersnot gebe. Horttanainen hatte gesagt, dass man keine Kriegs­ flüchtlinge aufnehmen könne, man habe vollauf zu tun, die eigenen Leute zu ernähren.
    Die Brigade von Kainuu hatte Grenztruppen von der Stärke eines Bataillons zurückgelassen. Ihr Komman­ deur Major Ronkkanen hatte Horttanainen einen schrift­ lichen Befehl mitgegeben, in dem er die Partisanenkom­ panie von Ukonjärvi seinem Kommando unterstellte und sie anwies, an der Ostgrenze, im Gelände zwischen Kuhmo und Nurmes, einen Feldposten zu errichten. Aufgabe dieses Postens sollte es sein, die nationale Grenze zu schützen und dem Grenzbataillon von Kajaa­ ni Meldung zu machen, falls es in der Nähe zu Kriegs­ handlungen komme.
    Wegen des hohen Alters von Stabsfeldwebel Naukka­ rinen ernannte Eemeli Toropainen den Kommissar von Ukonjärvi, Taneli Heikura, der den militärischen Rang eines Fähnrichs hatte, zum Chef der Partisanenkompa­
    nie, gleichzeitig beförderte er ihn zum Leutnant. Neuer Kommissar wurde der frühere Landwirtschaftsberater Jaritapio Pärssinen. Der Arzt Seppo Sorjonen wurde zum Feldscher ernannt, und Pastorin Tuirevi Hillikainen war bereits früher zur Feldpröbstin befördert worden.
    Der Posten wurde am Berg Murtovaara am Ufer des Mujejärvi-Sees errichtet. Die Entfernung von der Kaser­ ne in Kalmonmäki bis dorthin betrug siebzig Kilometer, und bis zur russischen Grenze waren es dann noch gut zehn Kilometer. Nach Nurmes waren es fünf und nach Kuhmo sechs Kilometer.
    Man begann sofort mit dem Bau der entsprechenden Befestigungen. Der Posten wurde als Stützpunkt einer Partisanenmannschaft angelegt. Es wurden zwei Unter­ stände für jeweils die halbe Mannschaft gegraben, zwi­ schen denen ein Schützengraben verlief. Unten am Berg wurden ein Unterstand für zwei Pferde und daneben ein Vorratslager errichtet. Ende Juli 2014, als der dritte Weltkrieg etwa einen Monat andauerte, war der Stütz­ punkt fertig und besetzt.
    Aus Sicht der Soldaten war der Kriegseinsatz gemüt­ lich, sie patrouillierten in den Wäldern zwischen Kuhmo und Nurmes, einmal nahmen sie einen nach Westen strebenden russischen Flüchtling fest und überstellten ihn nach Kajaani, sonst war es ruhig. So konnte der Weltkrieg weitergehen, fanden sie. Was gab es Besseres als ständigen Aufenthalt im Freien, direkt am Ufer des fischreichen Mujejärvi-Sees, und hin und wieder einen Heimaturlaub zu Hause in Ukonjärvi.
    Die erste Berührung mit der Wirklichkeit des Krieges stand den Dorfbewohnern erst im Herbst bevor, als die Seen vereist waren und der erste Schnee fiel. Sie hatten sich auf dem Dachreiter der Kirche aus Brettern eine Tribüne für die Luftüberwachung gebaut. Frauen und alte Männer taten hier Dienst, denn die waffenfähigen jungen Männer befanden sich entweder in der Ausbil­ dung oder waren am Feldposten eingesetzt.
    An einem frühen Novembermorgen zerriss plötzlich das Geheul einer schweren Düsenmaschine die Stille. Das war etwas ganz

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