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Nördlich des Weltuntergangs

Titel: Nördlich des Weltuntergangs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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Außergewöhnliches, denn in Finn-land waren wegen des Treibstoffmangels seit Jahren keine Verkehrsflugzeuge mehr unterwegs, und das Geräusch kam auch nicht von einem der kleinen Bom­ ber, die während des Krieges hin und wieder am Himmel zu sehen gewesen waren. Bei der Flugüberwachung tat gerade Stabsfeldwebel d. R. Sulo Naukkarinen Dienst. Er läutete die Kirchenglocke. Die Menschen kamen aus ihren Häusern gerannt und sahen mit Entsetzen, dass von Süden her ein schwerer viermotoriger Bomber U­ konjärvi anflog. Aus der Maschine lösten sich drei Fall­ schirme; der, der dem Ort am nächsten war, landete auf dem Eis des Sees, und die beiden anderen schwebten auf das Gelände am Tuohenjoki herab, wobei einer sich im Wipfel einer hohen Kiefer zu verfangen schien. Die Maschine flog sehr tief und machte so furchtbaren Krach, dass sich die Leute instinktiv bückten, als sie über ihre Köpfe hinwegdonnerte. Sulo Naukkarinen feuerte mit der Pistole in die Luft, was aber keine er­ kennbare Wirkung hatte.
    Der Bomber verschwand hinter dem Waldrand, und das Geräusch verstummte. Kurz darauf war ein fernes Dröhnen zu hören, und ein helles Licht flammte am nördlichen Horizont auf. Der Bomber war abgestürzt.
    Die Partisanen begannen, den Wald hinter dem See zu durchkämmen. In der Morgendämmerung fanden sie drei frierende Piloten, zwei hockten in den Sträuchern am Ufer, und der dritte hing im Wipfel einer großen Kiefer. Der Fallschirm des armen Kerls hatte sich so fest verhakt, dass man länger als eine Stunde brauchte, um ihn herunterzuholen. Eintönig rief er Allah um Hilfe an, als wäre er ein Muezzin, der auf dem Minarett stand und die Gläubigen zum Gebet rief. In der Einödlandschaft von Kainuu wirkte der Auftritt jedenfalls ziemlich exo­ tisch.
    Bei Tageslicht betrachtet, zeigte sich, dass die Männer eine dunkle Hautfarbe und lockiges Haar hatten. Feinde aus der unmittelbaren Nachbarschaft konnten sie dem­ zufolge nicht sein, auch ihre Sprache klang nicht ver­ traut. Man holte einen Mitbürger herbei, der Englisch sprach, und es stellte sich heraus, dass es sich um Araber handelte, die Piloten stammten aus dem Nahen Osten.
    Sie nannten ihren militärischen Rang und ihre Ein­ heit und zeigten ihren Militärpass, der jedoch mit Schriftzeichen ausgefüllt war, aus denen niemand schlau wurde. Ferner sagten sie, dass sie menschen­ freundliche und tierliebe Araber seien und dass man sie wie Gentlemen behandeln möge.
    In den Verhören stellte sich heraus, dass die Piloten einige Stunden zuvor mit einer Wasserstoffbombe an Bord zu Hause gestartet waren, mit dem Befehl, die Last an einem bestimmten Punkt über Afrika abzuwerfen. Sie zeigten die Koordinaten vor. Man machte ihnen klar, dass sie nicht in Madagaskar seien, wohin die Codes wiesen, sondern in Kainuu. Darüber zeigten sie sich äußerst verwundert. Unterwegs hatten sie zwar kleine Meinungsverschiedenheiten über die Flugrichtung ge­ habt, aber mit einer so großen Abweichung hatten sie nicht gerechnet. Erst als sie im Morgengrauen durch Frost und Schnee über eine feindlich wirkende Einöd­ landschaft geflogen waren, waren sie auf den Gedanken gekommen, dass ihnen vielleicht doch ein Fehler in der Navigation unterlaufen war.
    Eemeli Toropainen konnte sich nicht recht entschei­ den, ob die arabischen Piloten Feinde oder Freunde Ukonjärvis waren. Wie auch immer, sie wurden entwaff­ net und bekamen zu essen, bevor sie in das Gefängnis von Rajakylä gebracht wurden. Man beschloss, die internierten Russen aus den Zellen zu entlassen und unter Hausarrest zu stellen, denn sie hatten sich in der Anfangsphase des Weltkrieges als vertrauenswürdig erwiesen, und im Gefängnis war nicht genug Platz für sie und für die Araber.
    Am Nachmittag fand man auch das abgestürzte Flug­ zeug. Es war von Ukonjärvi aus noch etwa zehn Kilome­ ter weiter geflogen und lag jetzt am Ufer des Löytölampi-Sees. Die Maschine hatte den See, der einen Kilometer lang war, von einem Ende bis zum anderen durchpflügt und dabei das Eis zermalmt, dann war sie auf dem nordwestlichen Ufer liegen geblieben. Die gewaltige Wucht der Bauchlandung zeigte sich daran, dass zwi­ schen dem zerbrochenen Eis Unmengen toter Fische lagen.
    Das Flugzeug qualmte am Ufer vor sich hin. Es war eine viermotorige, um die Jahrtausendwende gebaute Iljuschin. Im Inneren fanden sich noch zwei tote Mitglie­ der der Crew. Ein Tragflügel war abgerissen, und der Rumpf lag halb auf der Seite.

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