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Nördlich des Weltuntergangs

Titel: Nördlich des Weltuntergangs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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Vorsichtshalber wurde das Gelände abgesperrt, denn man wusste ja, dass sich in der Maschine eine Wasserstoffbombe befand, wenn nicht sogar mehrere. Wenn die Kernladung explodierte, wäre es um Ukonjärvi geschehen. Sonst wurde die Idylle am Ukonjärvi nicht weiter durch den dritten Weltkrieg gestört, außer dass man verschiedentlich Kunde von ihm erhielt. Eines dieser Zeichen fernen Kriegsdonners traf auf dem Schienenwege ein. Der Bahnhofsvorsteher von Valtimo teilte mit, dass für die Partisanenkompanie von Ukonjärvi wertvolle und geheime Kriegsfracht aus Frankreich eingetroffen sei.
    Das Kollo wurde mit dem Pferdewagen abgeholt und nach Kalmonmäki in die Kaserne gebracht. Es war eine Holzkiste, etwa sechzig Zentimeter lang, einen halben Meter breit und zwanzig Zentimeter hoch. Sie wog mehr als dreißig Kilo und sah aus wie eine Obstkiste. Vorsich­ tig löste man den Deckel. In der Kiste lagen dicht ver­ packt merkwürdige schwarze Platten von der Größe eines Geldscheins und mit einer Dicke von etwa zwei Millimetern. Sie waren in Folie eingeschweißt und glüh­ ten eigenartig. Niemand wusste, welchem Zweck die Platten dienten, nicht einmal der Technikfachmann, Somalischmied Josif Nabulah, konnte sich einen Reim darauf machen. Ein Blatt mit einer Gebrauchsanwei­ sung lag dabei, eng in französischer Sprache beschrie­ ben. Niemand verstand den Text. Was also tun mit den sonderbaren Platten? Man sagte sich, dass es sich be­ stimmt um einen Irrtum handele, in Ukonjärvi brauchte man solche Gegenstände nicht. Allerdings stand auf der Sendung deutlich die Anschrift: Partisanenkompanie Ukonjärvi, Kainuu, Finnland.
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    Die am Löytölampi abgestürzte arabische Iljuschin wurde weiträumig mit einem Zaun umgeben, außerdem wurde eine Bewachung organisiert. Aus dem Rumpf der Maschine drang leichte radioaktive Strahlung, wie man mit einem alten Messgerät feststellte. Die Werte waren sehr gering, und so sagte man sich, dass die Strahlung keine große Gefahr bedeutete. Es wurde beschlossen, den Behörden nichts von dem Flugzeugabsturz mitzutei­ len. Andernfalls kämen sicher Experten, die alles genau wissen wollten. Darunter litte Ukonjärvis Selbstständig­ keit, Schnüffler brauchte man im Dorf nicht. Man fand, dies sei eine interne Angelegenheit.
    Der Somalischmied Josif Nabulah montierte vom Flugzeug einige Teile ab, die er in seiner Schmiede gebrauchen konnte. Aus den Spezialmetallen ließen sich Ersatzteile für Landmaschinen herstellen, aus Alumini­ umblech konnte man zum Beispiel ausgezeichnete Kornsiebe für die Dreschmaschinen fertigen. Josif trug auch die Abschussvorrichtung für die Wasserstoffbombe in seine Schmiede und machte sich daran, die einschlä­ gige Fachliteratur über Kernphysik zu studieren.
    Der Löytölampi-See fror wieder zu, Schnee fiel auf das Kriegsflugzeug. Bei Frost stieg aus dem Bombentrichter leichter Dunst auf, die Wasserstoffbombe lebte und war wohlauf. Die Bewacher beobachteten sie durchs Fern­ glas und fragten sich, was passieren würde, wenn die Bombe plötzlich explodierte. In jedem Fall fände ihre Wachschicht dann ein jähes Ende.
    Somalischmied Josif Nabulah wandte sich an Eemeli Toropainen mit dem kühnen Plan, die Kernladung an einen sichereren Ort zu bringen. Er regte an, die Bombe vorsichtig aus dem Rumpf der Maschine zu lösen und mithilfe eines Flaschenzuges auf einen stabilen, speziell für diesen Zweck gebauten und mit Achsen versehenen Schlitten zu heben. Mit zwei vorgespannten Ochsenpaa­ ren könnte man die Massenvernichtungswaffe vom Ufer des Löytölampi wegschaffen. Stabsfeldwebel d. R. Sulo Naukkarinen schlug als Zielort das Gelände am Feldpos­ ten Murtovaara vor. Dort gab es keine zivile Besiede­ lung, und die Soldaten des Feldpostens könnten die Bewachung der Bombe nebenbei mit übernehmen. Es war nicht auszuschließen, dass man bei größeren Kriegshandlungen, bei denen die gewöhnlichen Artille­ riewaffen nicht ausreichten, auf die Kernwaffe würde zurückgreifen müssen. Man könnte sie heimlich hinter die Frontlinie schaffen, möglichst weit weg von den eigenen Truppen, und sie dort in Feindesland zünden. Wer das Zünden übernehmen würde, müsste, abhängig von der Situation, gesondert überlegt werden.
    Eemeli Toropainen dachte über die Vorschläge nach. Wenn die Bombe an ihrem jetzigen Standort explodierte, vernichtete sie ganz Ukonjärvi mitsamt der Kirche. Es wäre gut, sie loszuwerden oder zumindest nicht in un­ mittelbarer Nähe

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