Nördlich des Weltuntergangs
Vorväter zu feiern. Der Vorschlag wurde nur zu gern akzeptiert.
Dementsprechend wurde an der höchsten Stelle des Hiidenvaara ein hundert Meter langer Tisch errichtet, ein Ende zeigte nach Norden, das andere nach Süden. In einer Schüssel wurde der Schädel des Bären auf den Tisch gestellt. Die Jäger und die anderen Festgäste setzten sich zum Mahl. Es gab Erbsensuppe mit dem Fleisch des getöteten Bären.
Bier und Schnaps flossen in Strömen. Viele der Fei ernden schnüffelten Fliegenpilzextrakt, wovon man fast verrückt wurde. Das Gelage dauerte den ganzen Tag. Am Abend wurden dann die Zähne aus dem Schädel des Bären gerissen. Den größten bekam der erfolgreiche Jäger John Matto, der sich den Zahn an einer Kette um den Hals hängte.
In den frühen Morgenstunden ordneten sich die Fei ernden zu einem langen Zug und trugen johlend den Schädel ans Ufer des Tuohenlampi, dorthin, wo der Bär die alte Eveliina getötet hatte. Hier ästeten sie eine hohe Kiefer ab und setzten den Schädel auf deren Spitze, und zwar so, dass die Augenhöhlen nach Norden zeigten.
Der Totenbaum wurde mit einigen Gebeten bedacht, anschließend wurde die Stelle »Romentola« getauft.
Am nächsten Tag ging die Feier weiter. In der folgen den Nacht wurden die Knochen des Bären in die Höhle gelegt, die die Hunde im Fichtenwald aufgespürt hatten. Das sollte bewirken, dass sich dort nie wieder ein Bär einnistete und dass das Vieh künftig Ruhe hatte. Die Höhle sah widerlich aus und stank grässlich.
Man beschloss, noch einen dritten Tag dranzuhängen. In der Nacht sahen die Feiernden, dass der Schädel an den Himmel gewandert und zu einem Stern geworden war, als Fortsetzung des Sternbildes Orion. In dieser Gewissheit fielen sie endlich auf dem Festplatz um.
Am Morgen des vierten Tages kam der »Fliegende En gel« zum Hiidenvaara gerannt. Das arme schwachsinnige Mädchen war schrecklich aufgeregt. Sie versuchte die Schlafenden wachzurütteln, denn sie hatte eine riesige Neuigkeit:
»Der dritte Weltkrieg ist ausgebrochen!« Die Botschaft kam nicht recht an. Die Leute lagen
schnarchend auf dem Heideboden, unfähig, am Weltge schehen Anteil zu nehmen. Eemeli Toropainen, der unter einem Wacholderbusch lag, hob den Kopf. Er sah das keuchende
Mädchen aus glasigen Augen an.
»Der dritte Weltkrieg? Tss…«
Es war der 28. Juni. Hundert Jahre zuvor waren in Sarajewo Erzherzog Franz Ferdinand und seine Gattin erschossen worden. Na und?
30
Die Leute hatten den Kater des Jahrtausends. Die ganze Gemeinde Ukonjärvi lag halb tot auf dem Festhügel. Die Verderbtheit hatte so weit um sich gegriffen, dass sogar Feldpröbstin Tuirevi Hillikainen würgen und ihr Inners-tes nach außen kehren musste. Eemeli Toropainen hockte im Schatten des Wacholderbusches. Seine Stirn war mit Schweiß bedeckt, das Herz schlug unregelmä ßig, und ihm war, als hätte ihm eine starke und bösarti ge Kraft die Seele aus dem Leib gerissen. Die Nachricht, die der »Fliegende Engel« gebracht hatte, passte irgend wie zur Situation. Der Ausbruch des dritten Weltkrieges krönte gleichsam die allgemeine Katerstimmung.
Aber nichts auf dieser Welt währt ewig, nicht mal ein Kater. Der Chef der Partisanenkompanie, Stabsfeldwebel Sulo Naukkarinen, inzwischen ein fast siebzigjähriger Veteran, ging der Sache mit dem dritten Weltkrieg nach. Er suchte ein altes Kurzwellenradio hervor und stellte es auf die internationalen Sender ein. Jawohl, die Nach richt stimmte, daraus zu schließen, dass von allen Sendern mit unerhörter Wucht Kriegspropaganda ver breitet wurde. Nachrichten in vielen Sprachen schwirr ten durch die Atmosphäre, und pathetische Marschmu sik zerriss den Zuhörern fast die Ohren. Dem Sprachen gewirr war zu entnehmen, dass die regionalen Konflikte, die in den verschiedensten Teilen der Welt gewütet hatten, nun endlich hatten gebündelt werden können, sodass man mit gutem Grund vom dritten Weltkrieg sprechen konnte. Der Finnische Rundfunk spielte dem entsprechend Sillanpääs Marschlied, zwischendurch wurden Anweisungen für den Zivilschutz gegeben. Ein lautes Geräusch, das sich anhörte wie das Rattern einer Motorsäge, störte das Programm. Offenbar sägte der transkontinentale Feind am Baum der Kriegsberichter stattung.
Da sich Europa und somit auch Finnland im Krieg befand, rief Naukkarinen in Ukonjärvi ebenfalls den Kriegszustand aus. In der Praxis bedeutete das die verschärfte Bewachung der Gemeindegrenzen, die
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