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Nördlich des Weltuntergangs

Titel: Nördlich des Weltuntergangs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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USA wollten entschei­ den, in welcher Stadt sie künftig die schöpferische kommerzielle Kommunikation betreiben wollten, wenn New York endgültig verloren wäre. Im Rainbow Room in der fünfundsechzigsten Etage des Gebäudes saßen zur selben Zeit Hunderte Rundfunk- und Fernsehjournalis­ ten der NBC, die ihren Sitz im Haus hatte, bei einem gemeinsamen Abschiedsessen. Sie erhielten die Nach­ richt, dass die Ausgänge des Gebäudes geschlossen wurden, weil in den untersten Etagen Feuer ausgebro­ chen sei. Die Berichterstatter und die Werbeleute kämpften um die Plätze auf dem Dach, sie waren Kon­ kurrenzkampf gewöhnt. In Panik strebten sie auf die Helikopterlandeplätze zu. Das war das Ende dieser Vorkämpfer westlicher Kultur, die Rundfunkstimmen verstummten, die Fernsehbilder verschwanden. Nun gab es keine Betreiber von Werbekampagnen mehr, die mit ihren Botschaften die Menschheit beglücken konnten.
    Unter den Letzten, die aus der Stadt flohen, waren die Mättös. John trug seine alte Mutter auf den Armen, ein Leidensweg für beide. Es war eine Februarnacht, und die gesamte Bronx wurde evakuiert, Manhattan war bereits vor Weihnachten aufgegeben worden. Die Aus­ fallstraßen waren bis weit in den Norden hinein ver­ stopft, Busse waren von der Straße abgekommen und Züge entgleist, Häuser brannten, die Sirenen heulten, und in der satanischen Finsternis flimmerten nur die Blinkleuchten der blind umherirrenden Krankenwagen und Polizeiautos.
    »Wie gern hätte ich etwas gerettet«, klagte Eveliina Mättö, eine Nordkarelierin, die ursprünglich aus Valtimo stammte. »Aber ich konnte nicht mal die Kaffeekanne mitnehmen, auch nicht die Konfirmationsfotos, das Silber, die Perlen, alles, alles musste ich zurücklassen.«
    Die Zerstörung war vollkommener als im Krieg. Die Luftstreitkräfte des Bundesstaates bombardierten zwei Wochen lang die Stadt mit schweren Waffen, um zu erreichen, dass der brodelnde Müll ins Meer floss. Die
    letzten Wolkenkratzer wurden zu Schutt, das Feuer verbrannte alles, was noch übrig war, das Meer umspül­ te die rußigen Ufer. Üppige Weidenröschen und Weiden­ gebüsche sollten später aus dem Gemisch von Morast und Asche sprießen, doch zunächst wurde das gesamte Stadtzentrum New Yorks und weite Gebiete der Periphe­ rie zur verbotenen Zone erklärt. Ein hoher Zaun wurde um die zerstörte Stadt gebaut, das Betreten des Gelän­ des verboten. Der Außenwelt teilte man mit, dass man beschlossen habe, die Stadt zu verlegen. Die Zensur erklärte, dass man aufgrund der nachteiligen Auswir­ kungen des übermäßigen Bevölkerungswachstums den Bürgern die Möglichkeit geben wolle, sich unter ökolo­ gisch günstigeren Bedingungen anzusiedeln. Die Auto­ bahnen und Metrotunnel wurden am Rande der verlas­ senen Stadt gekappt, sie bekamen einen neuen Stre­ ckenverlauf, sodass sie »Most New York« umschlossen, das bald, weit von der ehemaligen Metropole entfernt, in die Höhe wuchs.
    »Du liebe Zeit, was gab es dort für Mengen von Raben, you know«, erzählte Eveliina Mättö. »Sie flogen rum wie Mückenschwärme. Ich las in einer Zeitung, dass sie sich nachher bis nach Dakota ausgebreitet haben.«
    29
    In dem dichten Fichtenwald am Ufer des Flusses Tuo­ henjoki, der in den Südzipfel des Ukonjärvi mündete, befand sich das Winterquartier eines grimmigen alten Braunbären. Dabei handelte es sich übrigens um genau den, den Eemeli Toropainen auf der Rückfahrt von seiner Inspektion flüchtig gesehen hatte.
    Es war der Spätfrühling 2014. Der Bär erwachte Ende Mai, als das Schmelzwasser in seine Höhle rann. Sein Hintern wurde nass. Ein solches Erwachen stimmt niemanden besonders positiv, selbst dann nicht, wenn der Frühling naht. Der Bär war im Alter recht schwach geworden, sodass er unter den Tieren des Waldes keine Beute mehr machen konnte. Die Hasen hoppelten da-von, die Hühnervögel flogen schon hundert Meter vor ihm auf, die Rehe sausten mit Windgeschwindigkeit ins weite Moor. Der Bär musste sich damit begnügen, in Ameisennestern zu stochern und in den Sümpfen nach überjährigen Moosbeeren zu suchen.
    Er hoffte trotzdem auf bessere Zeiten. Wenn erst das Gras wuchs, würden die Menschen das Vieh auf die Weide treiben, und er konnte sich ein ungeschicktes Kalb oder ein umherirrendes Schaf einverleiben.
    Passenderweise wurde das Vieh von Ukonjärvi zu die­ ser Zeit auf die üppigen Waldwiesen am Tuohenlampi-See getrieben. Gehütet wurde es von der alten finni­ schen

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