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Nördlich des Weltuntergangs

Titel: Nördlich des Weltuntergangs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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nannte er Roggenbrei und Kloßsuppe.
    Ferner riet Eemeli, tausend oder zweitausend Flücht­ lingsfrauen ins westliche Lappland zu schicken. Er dachte bei sich, dass diese Anzahl in der Wildmark um Kittilä und Enontekiö die passende stille Reserve wäre, für den Fall, dass er mal mit Horttanainen zum Angeln hinaufführe.
    Dieses Gespräch entschied die Angelegenheit und gleichzeitig Ostbottniens Zukunft. Zwei Tage später setzten die vierzigtausend Frauen ihren Marsch fort. Es war, als würde eine Armee mobilisiert: Die Zelte wurden abgebaut, der Tross beladen, die Zugtiere angespannt, der erste Wagen fuhr am Morgen gen Westen ab, der letzte setzte sich erst am Nachmittag schaukelnd in Bewegung. Die Karawane war fünfzehn Kilometer lang. Pro Tag legte sie jedoch eine beachtliche Strecke zurück, nämlich zwanzig Kilometer, und wenn sie die Landstra­ ße benutzen konnte, sogar noch mehr. Als die Frauen südlich an Ukonjärvi vorbeizogen, ordnete Eemeli Toro­ painen an, ihnen als Abschiedsgeschenk fünf Ochsen und zehn Fässer gesalzener kleiner Maränen zu über­ bringen.
    Als sich die Frauen gegen Ende des Sommers auf Ostbottnien verteilt hatten, entstand dort eine Lage, in der die Männer ihre Flucht in Erwägung zogen. Es wäre seit langem das erste Mal gewesen, dass die Ostbottnier von einer fremden Rasse vertrieben worden wären. Aber wohin fliehen in einer Welt, in der ein Atomkrieg wütet? Den Ostbottniern blieb nichts weiter übrig, als beste­ hende Tatsachen zu akzeptieren und fortan mit vierzig­ tausend fremdländischen Frauen zusammenzuleben.
    35
    Die Massenwanderung der Frauen hatte Eemeli Toro­ painen erschreckt. Bislang war der Weltkrieg für die Gemeinde Ukonjärvi recht friedlich verlaufen, aber wehe, wenn es erneut zu einem Zustrom Zehntausender Menschen käme. Die Frauenkarawane war völlig über­ raschend erschienen. In Ukonjärvi kamen nicht viele Informationen über die Weltlage an; auf die Radiomel­ dungen war kein Verlass, auch konnte man die Sendun­ gen wegen der ständigen Störungen oft nicht empfan­ gen. Zeitungen erschienen nicht mehr, Helsingin Sano­ mat, die anfangs noch einmal pro Woche veröffentlicht worden war, war bald nach Ausbruch des Krieges in Konkurs gegangen, und der Fernsehbildschirm blieb seit Jahren schwarz. Der »Fliegende Engel« trabte zwar nach wie vor zwischen Ukonjärvi und Valtimo hin und her, doch die Nachrichten, die das Mädchen brachte, waren für gewöhnlich lokaler Art und basierten auf Gerüchten. Man brauchte unbedingt zuverlässigere Informationen über die Situation in der Welt, damit man sich auf mög­ liche Umwälzungen einstellen konnte.
    Eemeli Toropainen beschloss, einen eigenen Kund­ schafter auszusenden, der herausfinden sollte, was in der Welt geschah. Severi Horttanainen meldete sich als Freiwilliger. Er war in der Tat gut geeignet für die Reise, da er bereits achtundsiebzig Jahre alt war und zwar noch Orgel spielte, aber nicht mehr auf dem Feld arbei­ ten konnte. Trotzdem war er äußerst mobil und erpicht darauf, sich auf seine alten Tage die Welt anzusehen.
    Eemeli vereinbarte die Route mit ihm. Er sollte zu­ nächst mit dem Zug in den Süden fahren und dann versuchen, auf irgendeine Art nach St. Petersburg zu gelangen. Wenn möglich, sollte er anschließend über Archangelsk zurückkehren. Seine Aufgabe war die eines Spions, er sollte erkunden, wie die Situation in Russ-land war und ob von dort möglicherweise neue Massen­ wanderungen drohten. Auch sollte er klären, wie man sich am besten verhielt, falls ungebetene Gäste im An­ marsch waren. Wäre es empfehlenswert, sie gleich an der Grenze auf saubere Art zu beseitigen?
    Severi Horttanainen wurde unmittelbar nach der Ern-te losgeschickt. Man packte ihm Brot, gesalzenes Fleisch, Trockenfisch und einen Krug Schnaps in den Rucksack und stattete ihn mit einer angemessenen Geldsumme aus.
    Ein paar Begleiter brachten ihn mit dem Pferdewagen zum Bahnhof Valtimo, wo er in einen Zug stieg, der von einer Dampflok gezogen wurde. Die Begleiter wünschten ihm eine interessante Spionagereise und fuhren wieder nach Hause. Man erwartete allgemein, dass Horttanai­ nen zu Weihnachten zurückkehren werde.
    Es wurde Weihnachten, doch wer nicht erschien, war Severi Horttanainen. Es kamen der Frühling und der Sommer, aber von Horttanainen keine Spur. Noch ein zweites Weihnachtsfest und ein weiterer Frühling und Sommer vergingen. Horttanainen ließ sich nicht blicken.
    Erst im August 2017

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