Nördlich des Weltuntergangs
Campingstühlen vor der Umzäunung Platz und beobachtete die Tiere, die neugierig näher kamen, um die Fremden zu bestaunen. Als kleinen Imbiss gab es für die Gäste Butterbrote mit Wildschweinfleisch. Bischof Ryteikköinen gestand, dass er zuletzt vor dem dritten Weltkrieg so üppig gegessen hatte.
»Apropos Krieg, bevor ich herkam, hörte ich, dass eine Million Hungusen durch Deutschland nach Belgien oder in eines dieser Länder marschiert sind«, plauderte der Bischof. »Sie hier in Ukonjärvi sind wohl weitgehend von Völkerwanderungen verschont geblieben?«, erkundigte er sich bei Eemeli Toropainen.
Eemeli bestätigte, dass fremde Völker in den Kriegs jahren den Frieden von Ukonjärvi kaum gestört hatten. Wenn man mal von den vierzigtausend Frauen absah, die seinerzeit das Gebiet der Gemeinde gestreift hatten, aber das war auch alles gewesen.
»Ja…, Sie leben hier in einer wahren Idylle«, bestätigte der Bischof.
Man kehrte ins Dorf zurück. In der Kirche von Ukon järvi fand ein Messegottesdienst statt, es predigte Feldpröbstin Hillikainen, und als Liturg fungierte Bi schof Ryteikköinen. An der Orgel saß Severi Horttanai nen.
Zum Abschluss der Messetage bekam Eemeli Toro painen einen ungewöhnlich schweren Herzanfall.
38
Seppo Sorjonen ordnete für Eemeli Bettruhe an. Nach ein paar Tagen kam der Patient so weit zu Kräften, dass er aufstehen konnte. Sorjonen gab ihm Medikamente und schlug ihm eine Bypassoperation vor. Er, Sorjonen, könne nach all den Jahren, die er praktiziere, einen solchen Eingriff durchaus wagen, so glaube er.
Er führte Eemeli in den Speicher des Pfarrhauses, der bereits vor dem dritten Weltkrieg zum Krankenhaus umfunktioniert worden war. Dort gab es eine kleine Bettenstation für drei Patienten, und am anderen Ende des Gebäudes, durch einen Vorhang abgeteilt, einen Operationssaal. Dieser war nicht wirklich ein Saal – der Raum maß fünf mal fünf Meter –, doch Sorjonen fand ihn groß genug. Im Allgemeinen behandelte er dort kleinere Gebrechen. Seine chirurgische Laufbahn hatte er vor zehn Jahren damit begonnen, die Krampfadern der Bäuerin Matolampi zu operieren. Danach hatte er seine Künste weiter erprobt, indem er ein paar entzün dete Blinddärme entfernt und Leistenbrüche operiert hatte. Auf dem Gebiet der plastischen Chirurgie konnte er die Begradigung der abstehenden Ohren einiger Dorf buben vorweisen.
Eemeli Toropainen musterte misstrauisch die Aus stattung des Operationsraumes. An der Decke hing eine helle Lampe. Somalischmied Josif Nabulah hatte den Operationstisch aus den Aluminiumrohren des arabi schen Bombers zusammengebaut. Dünnere Schläuche hatte er ebenfalls dort entnommen. Auch die meisten Instrumente hatte der Schmied angefertigt, nur die Injektionsspritzen und die übrigen feinmechanischen Geräte hatte sich Sorjonen in der Apotheke von Kajaani besorgt. Wegen der allgemein herrschenden Krise hatten sie enorm viel gekostet, und Einwegspritzen hatte es gar nicht gegeben. Die hygienischen Anforderungen deckte eine Wasserleitung ab, die aus dem Fluss kam, Strom erzeugte das Kraftwerk im Fluss, und für die Desinfekti on der Instrumente verwendete Sorjonen kochendes Wasser. Aus der Schnapsbrennerei am Rätsinlampi wurde die erforderliche Menge Arzneispiritus geliefert. Dieser konnte sowohl äußerlich als auch innerlich an gewendet werden. Die Fäden für das Vernähen von Operationswunden hatte Sorjonen von den Netzmachern bekommen.
In einer Ecke des Krankenhauses stand ein Bücher regal, in dem Seppo Sorjonen die Quellen seines medizi nischen Wissens aufbewahrte, darunter zwei deutsch sprachige Werke, eines über die inneren Krankheiten und das andere über die Thoraxchirurgie. Er besaß auch Bücher über Anästhesie und Chemie sowie natür lich ein paar allgemeinere medizinische Werke, ferner einen äußerst anschaulichen Bildband namens Anato mischer Atlas. Aus den unterstrichenen Stellen war zu ersehen, dass sich der Feldscher eingehend mit dem Gebiet befasst hatte.
An der Wand hing ein Vierfarbendruck, auf dem ein geöffneter Mensch in natürlicher Größe abgebildet war. Alle Organe waren deutlich zu erkennen – das Herz, die Lunge, die Leber, die Nieren und die Milz. Sorjonen zeigte seinem Patienten den Längsschnitt einer Herz kammer: »Du leidest an einer Unterfunktion des Her zens, insufficientia cordis. Diese wiederum wird verur sacht durch eine Erkrankung der Herzkranzarterie, morbus cordis
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