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Noir

Noir

Titel: Noir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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hinderte, neugierig durchs Wohnzimmer zu spazieren. Nino hörte, wie sie sich Katjuscha vorstellte. Wenigstens konnte sie sich jetzt ausrechnen, wer für die Maske verantwortlich war.
    «Ich geh mir das mal abwaschen», murmelte er und floh ins Badezimmer.
    Er spülte sich die angetrocknete Maske mit heißem Wasser ab und wollte das Gesicht gar nicht mehr aus dem Handtuch nehmen, als er sich abtrocknete. Was hatten die beiden hier zu suchen? Sie hatten kein Recht, einfach so aufzutauchen.
    Er warf einen Blick in den Spiegel und erkannte sich kaum wieder. Seine Augenringe hatten einen rötlichen Farbton, die Ader auf der Stirn schimmerte durch. Seit ungefähr vier Tagen hatte er sich auch nicht mehr rasiert oder die Haare gewaschen, und in den Spitzen hatten sie sich zu kleinen Schweinslöckchen gekringelt.
    Als er ins Wohnzimmer zurückkam, saßen die drei auf dem Sofa und sahen fern.
    «Du bist also erkältet.» Philip warf ihm einen Blick zu.
    «Wollen wir in mein Zimmer gehen?»
    Philip stand auf und sagte zu Julia, während er ihr über den Oberschenkel strich: «Warte kurz.»
    Sie gingen in sein Zimmer und schlossen die Tür.
    «Also», sagte Philip.
    «Ja.»
    «Mit Julia und dir.»
    Er schwieg.
    «Ich weiß Bescheid.»
    «Seid ihr jetzt zusammen?»
    Philip lachte. «Ach was. Alles entspannt.»
    «Gut.»
    «Freut mich auch.» Er klopfte ihm betont kräftig auf den Rücken. Dann öffnete Philip die Tür. «Julia, kommst du?»
    Sie verabschiedete sich von Katjuscha und hüpfte auf ihren hohen Plateauschuhen herbei, die aussahen wie Pferdehufe.
    Philip schloss die Tür hinter ihr. Sie setzten sich aufs ungemachte Bett, Nino lehnte sich gegen seinen Schreibtisch. Ihm wurde unangenehm bewusst, dass es hier drinnen nach abgestandener Luft riechen musste.
    «Na, wie geht’s?» Julia zog eine Zigarette aus ihrer Handtasche. «Darf man hier rauchen?»
    Nino war froh, einen Grund zu haben, das Fenster zu öffnen, und nickte. Er selbst hatte auch noch die Zigaretten. IHRE Zigaretten. Er verspürte den Drang, sie zu rauchen, als Julia und Philip sich eine Kippe ansteckten, und zog das Päckchen aus der Tasche seiner Jeans, die neben dem Bett lag.
    «Gut geht es mir. Und euch auch, wie man sieht.» Er zündete sich seine Zigarette mit Philips Feuerzeug an und warf es ihm zurück. Philip fing es in der Luft.
    «Arbeitest du nicht mehr im Laden?», fragte Julia.
    «Ich war krank.»
    «Oh. Was hattest du?»
    Er winkte ab. Eine Weile rauchten alle schweigend, als wollten sie dem Film nebenan lauschen. Das Nikotin schlug bei ihm ein, als würden seine Lungen schrumpfen und sein Kopf sich mit Helium füllen. Es war nicht ganz unangenehm.
    Wie aus der Ferne betrachtete er Julia, die mit übergeschlagenen Beinen auf seinem Bett lag, ihre Füße zu einer lautlosen Melodie wippend. Sie trug eine Art Hosenrock aus fleischfarbener Seide und ein bauchfreies Oberteil, das seit den neunziger Jahren keiner mehr zu tragen wagte. Trotzdem sah sie – was zweifellos ihre Absicht war – auf eine unbeholfene Art scharf aus.
    Allmählich machte es ihn immer wütender, dass weder Julia noch Philip damit herausrückten, was sie eigentlich wollten. Er räusperte sich, da machte Julia endlich den Mund auf. «Hast du einen Aschenbecher?»
    «Ja», sagte Nino und deutete auf einen leeren Joghurtbecher. «Wollt ihr sonst noch was?»
    «Wir wollten nur mal nach dir sehen.» Julia sah zu Philip, als bräuchte sie seine Bestätigung, und verfehlte mit der herabfallenden Asche nur knapp den improvisierten Aschenbecher, der neben dem Bett auf dem Boden stand.
    Philip warf seine Kippe aus dem Fenster. «Gut. Nino: wegen dem Gläserrücken.»
    Er nickte vorsichtig.
    «Wir haben es noch mal versucht, es hat nicht funktioniert.»
    «Vielleicht wart ihr nicht high genug.»
    «Es funktioniert, Mann», sagte Philip leise. «Nicht nur wegen dem STYX .»
    «Sicher.» Nino inhalierte tief den Rauch und wünschte, er könnte so überzeugt sein, wie er tat.
    «Machst du noch mal mit?», fragte Philip unvermittelt.
    «Warum fragt ihr nicht River?»
    «Haben wir. Hat nicht funktioniert mit ihm.»
    Philip warf Julia einen Blick zu. «Monsieur Samedi meint, es gibt Leute, die können es. Und es gibt Leute, die können es nicht allein. Und als wir ihm erzählt haben, dass die Botschaften an dich gerichtet waren, auf Italienisch …»
    «Ihr habt diesem Psychopathen davon erzählt?»
    Philip rieb sich über den kahlrasierten Schädel. «Machst du noch mal mit oder

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