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Nonnen

Nonnen

Titel: Nonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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gern dort war, denn das Studium war
gräßlich gewesen. Nie zuvor hatte er sich so allein
gefühlt wie damals. Es war nicht positiv. Und daher war die
Theorie falsch.
    Und die erste Leseerfahrung? Es war die Phantastik gewesen,
aber das wußte er, er hatte schon oft daran gedacht. Seine
Welt war größer geworden, hatte alle Begrenzungen
verloren durch diese Geschichten. Und es war nachvollziehbar,
daß er diese Grenzen, die sich langsam wiedergebildet
hatten, erneut einreißen wollte.
    Immer wieder blätterte er in der unfertigen Geschichte.
Nun gefiel sie ihm nicht mehr, er war unsicher geworden. Er legte
sie in die Schublade, wollte zumindest heute nicht weiter daran
schreiben. Der Verleger hatte ihm den Spaß daran
gründlich verdorben.
    Am nächsten Morgen fragte Herr Bandmann mit
hündischem Grinsen, wie der Termin mit dem Verleger
ausgegangen sei.
    »Vergessen Sie’s«, sagte Benno.
    Und als Herr Bandmann in ihn dringen und Einzelheiten erfahren
wollte, schwieg Benno beharrlich. Endlich gab sein Kollege
Ruhe.
    Gern hätte Benno sein Abendmahl auf Melaten zu sich
genommen und die goldenen Strahlen der untergehenden Sonne
gespürt, die durch die mächtigen Kronen der Platanen
und Buchen gefiltert wurden. Doch seit dem Nachmittag regnete es,
und da blieb ihm nichts anderes übrig, als in seine Wohnung
zurückzukehren. Es war kalt geworden, kalt und
ungemütlich. Benno drehte die Heizung auf. Er starrte die
Wände an. Sollte er doch noch hinausgehen? Es war zu
naß. Er überlegte, ob er jemanden anrufen konnte. Da
entschied er sich für Jürgen, einen der wenigen
Bekannten aus der Zeit kurz vor dem Abitur. Mit ihm hatte er
gelegentlich in einem Cafe gesessen und über Gott und die
Welt philosophiert. Natürlich hatte es damals auch ein paar
Mädchen gegeben, aber da er von einem Jungengymnasium
gekommen war, hatte er keine Erfahrung mit ihnen gehabt und sich
linkisch benommen. So hatte er sie ziemlich schnell aus dem Auge
verloren. Geblieben waren nur die paar Bekannten, und auch nur
deshalb, weil es meist Benno war, der sich mit einer gewissen
Regelmäßigkeit bei ihnen meldete. Manchmal kam es zu
einer Verabredung, in der Regel aber nicht.
    Jürgen war sehr kurz angebunden. Er freue sich, von Benno
mal wieder zu hören, aber im Augenblick komme es nicht
gelegen, weil er der kleinen Sabrina die Windeln wechseln
müsse. Seine Frau sei zu ihrem
Bewußtseinserweiterungsabend gegangen. Nein, auch am
nächsten Tag sei’s nicht günstig, da habe seine
Frau ihren Vollwertkochkurs. Später vielleicht… Er
werde zurückrufen, alles Gute, bis dann.
    Benno warf den Hörer auf die Gabel.
    Er wollte sich wieder seiner Geschichte widmen, brachte aber
kein Wort zu Papier. Dieser verfluchte Verleger! Was hatte Benno
davon, daß er nun um die Beziehung seiner Phantasien zu den
glücklichen Erinnerungen an seine Kindheit wußte?
    Und was ist mit den Rätseln, dem Suchen, den Jagden?
fragte er sich.
    Was sollte schon damit sein? Er liebte Rätsel, auch sie
erinnerten ihn. Damals hatte er oft mit einem seiner Vettern
Rätsel entworfen, Spuren ausgelegt, die der andere finden
mußte, und es war immer Benno gewesen, der die
raffinierteren Rätsel erdacht hatte. Die Spuren führten
von beschriebenen Papierschnipseln zu Anstreichungen in
Büchern, die einen Satz ergaben, manchmal auch
verschlüsselt waren, zu dem Auffinden von seltsamen
Objekten, die nur in einer bestimmten Richtung gedeutet werden
konnten und schließlich zu der verzwickten Lösung.
Aber es war langweilig, wenn sein Vetter immer nur bis zur
zweiten oder dritten Stufe kam und Benno daraufhin die
Fortsetzungen erklären mußte. Ihm wäre es lieber
gewesen, der Vetter hätte Bennos Gewitztheit erkannt und zu
würdigen gewußt. Also waren auch die Rätsel
Reminiszenzen. Nun gut, dann lag in dieser Geschichte – und
vielleicht auch in den anderen – etwas von ihm selbst aus
seiner Vergangenheit. Er hatte es nicht gewußt. Doch
weshalb sollte es wichtig sein? Wenn er seine
Kindheitserinnerungen beschriebe, wäre dies bloß
langweilig, denn der Leser würde sich zum Teil selbst darin
erkennen und deshalb nichts Neues entdecken, und den Rest
würde er gar nicht verstehen.
    Welcher Leser denn? Zur Hölle mit dem Verleger!
    Zur Hölle mit allen! Er holte seine Geschichte wieder
hervor. Wenn niemand ihm Gesellschaft leisten wollte, mußte
er eben selbst für Gesellschaft sorgen. Er kroch in die

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