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Nonnen

Nonnen

Titel: Nonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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in die
Umfassungen verkrallt zu haben.
    Es wäre eigentlich schon zu dunkel gewesen, um dies
erkennen zu können, doch aus einem der armseligen
Häuser gegenüber der Kirche floß leichtes Licht.
Zwei schmutzstarrende Fenster blickten mit gelben Augen heraus in
die Nacht. Die Tür zwischen ihnen war ebenfalls verschlossen
wie die Türen aller Häuser des Dorfes, doch sie war
blankgescheuert. Keine Spinnweben bedeckten sie. Hoch über
der Tür hing ein rundes, schmiedeeisernes Schild, das in
einem merkwürdigen Luftzug leise knarrte. Hier unten war es
völlig windstill. Kein Laut drang nach draußen. Ich
schaute auf das schmiedeeiserne Schild. Die Buchstaben darauf
waren unleserlich, und doch war ich mir sicher, ein Gasthaus
gefunden zu haben, wo ich die Nacht verbringen konnte. Ich
öffnete die schwere Tür.
    Es war ein einziger Raum mit nichts als einer Leiter, die zum
Dachboden führte, und einem roh gezimmerten Tresen. Es gab
keine Tische, keine Stühle. Jemand spielte auf einem
Dudelsack; die jaulenden und klagenden Töne lagen über
dem Gemurmel der Gäste, die den weiten Raum zu drangvoller
Enge zusammenpreßten. Jeder hielt ein großes Bierglas
in der Hand, doch die Flüssigkeit, die in diesen
Gläsern schwappte, war kein Bier; sie war beinahe
grün.
    Die Gäste, alle in schäbiges, abgewetztes Schwarz
gekleidet, beachteten mich nicht. Zunächst schien es mir,
als unterhielten sie sich, doch das stimmte nicht. Niemand
schaute den anderen an, alle redeten in die winzige Leere vor
sich, ohne Antworten zu geben, ohne Fragen zu stellen. Es war das
Gewisper eines vielstimmigen, unendlichen Monologs. Und
darüber lag das Klagen des Dudelsacks.
    Ich ging an ihnen vorbei zum Tresen. Dahinter stand ein Mann
in einem blanken, neuen schwarzen Anzug, der im Vergleich zu der
Kleidung der Gäste wie ein frischer Farbtupfer wirkte. Der
Wirt spülte die Gläser um und füllte sie immer
wieder aufs neue. Er sprach nicht vor sich hin, sondern arbeitete
konzentriert und still. Als er mich sah, blickte er mir starr in
die Augen. Ich fragte nach einem Zimmer für die Nacht. Er
schüttelte den Kopf und sagte dunkel und laut, es sei alles
besetzt, ich sähe ja, und dabei fuhr er mit dem Arm durch
die Wirtsstube, es sei eine Trauergemeinschaft, die alle Zimmer
des Hauses gemietet habe. Ich glaubte ihm nicht, denn sein
Wirtshaus war viel zu klein für diese riesige Gesellschaft.
Die Gäste konnten nicht hier untergebracht sein. Als ich ihn
noch einmal fragte, schüttelte er wieder den Kopf. Seine
Augen hatten dieselbe Farbe wie das seltsame Getränk. Ohne
mir ein Glas davon anzubieten, sagte er, ich solle es im
Pfarrhaus versuchen. Der Küster sei bestimmt froh. Ich ging
an den Trauernden vorbei, die weiterhin in ihren Monologen
gefangen waren, und als ich auf den schwarzen, schweigenden
Kirchplatz trat, erschien er mir nicht mehr so erschreckend wie
zuvor.
    An der Südseite der Kirche stand ein großes Haus
mit einem Türmchen, das in hilfloser Gebärde den
Kirchturm nachahmte. Auch hier schien kein Licht heraus in die
sternglitzernde Nacht. Es gab keine Klingel, und so klopfte ich.
Sofort, als habe man mich bereits erwartet, öffnete sich die
Tür, und heraus trat ein buckliges Männchen mit einem
völlig kahlen Schädel und einer Brille mit riesigen,
dicken Gläsern. Ich war erstaunt, das Innere des Hauses
hellerleuchtet zu sehen. Durch die dicht verhangenen Fenster fiel
nicht der geringste Schein nach draußen. Ich sagte dem
kleinen Mann, der Wirt habe mich hergeschickt; nicht einen
Augenblick lang zweifelte ich daran, hier richtig zu sein. Das
Männchen nickte bedächtig, sagte aber kein Wort,
sondern bat mich mit einer kurzen, herrischen Handbewegung
hinein. Er fragte mich nichts.
    Über eine breite Treppe führte mich das
Männchen in das Obergeschoß. Die Wände waren
feucht; der Verputz bröckelte; auf den Teppichen lief ich
wie auf glucksendem Moos. Der verwachsene kleine Mann
öffnete eine Tür, schaltete das Licht ein und
ließ mich allein. Ich hatte seine Stimme nicht
gehört.
    Ein schmales Bett mit grellweißen Laken ließ mich
alle Gedanken vergessen. Ich legte mich angezogen darauf und
schlief sofort ein und huschte durch undeutliche Träume, in
denen ein kleiner, grotesk verwachsener Mann mit dicken
Brillengläsern mir bedeutete, ich solle die längliche
schwarze Kiste am schmalen Fußende anfassen und ihm beim
Tragen helfen. Er hatte mich

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