Nonnenfürzle: Kriminalroman (German Edition)
war.
Die frommen Ordensfrauen wurden während der düsterbraunen Jahre des Nationalsozialismus
aus den Schulen hinauskomplimentiert, die ordenseigenen Schulen wurden geschlossen.
Bildung für junge Frauen und dann noch im Namen des Herrn war plötzlich nicht mehr
angesagt. Junge Frauen sollten sich – so die absurde Idee eines Idioten und seiner
verblendeten Helfershelfer – blauäugig denkend und blond lächelnd kruppstahlhart
vermehren. So die Idee! 1940 wurden Mutterhaus und Landwirtschaft des Klosters beschlagnahmt,
um Auslandsdeutsche darin unterzubringen.
Nach 1945
übernahmen die wackeren Schwestern wieder das Regiment und ließen das Kloster in
gottgefälliger Pracht neu erstrahlen.
Und heute?
Heute bevölkern hüftprothesige Rentner und -innen die schöne Klosteranlage und versuchen,
mit Hilfe von Rollatoren und Digitalkameras den Heiligen Geist einzufangen. Auch
jugendliche Gruppierungen verschiedenster Couleur und lärmende Schulklassen reisen
zu Projekttagen an, um das gottgefällige, heitere, weltoffen-spirituelle Klosterleben
kennenzulernen. In Deutschland gehören heute circa 300 Schwestern zum Orden und
die meisten davon leben im schönen Örtchen Sießen im gleichnamigen Kloster. Und
hier im herrlichen, eher fraulichen Mutterhaus ist die Ordensausbildung angesiedelt,
um den Novizinnen die einfache, aber eindeutige Lehre des Namensgebers beizubringen.
Aber die Damen beten nicht nur, nein, sie versuchen auch teilautark zu leben, bauen
unter anderem Kohlräbchen an und kochen. Und wenn sie das nicht tun, stellen sie
Gewänder für den Gottesdienst her. Das Leben findet jedoch nicht nur hinter verschlossenen
Mauern statt, ganz im Gegenteil, die weltoffenen Frauen bringen sich positiv in
das gesellschaftliche und kulturelle Leben der oberschwäbischen Region ein und strukturieren
nicht nur das kirchliche Leben mit. Die sympathischen schwarz-weiß Gewandeten sind
aus dem Stadt- und Landbild nicht mehr wegzudenken. Im jugendpastoralen Bereich
wird auch Erbauliches geleistet, im Jugendhaus und im Kloster auf Zeit, im Hummelsaal
und im Franziskusgarten, überall im klösterlichen Bereich sind Schwestern tätig,
Interessierten die Wege zu einem Leben jenseits eines menschenverachtenden Endkapitalismus
aufzuzeigen. Sie arbeiten im Namen des Herrn. Respekt! Und manchmal rasen sie auch,
vermutlich ebenfalls im Namen des Herrn, auf ihren dunklen Rädern mit wehendem Gewand
und Schleier mit überhöhter Geschwindigkeit den Sießener Fußweg hinunter – gen Saulgau.
Aber jegliches
Leben, auch das einer Ordensschwester, endet mit dem Tod. Und so verbringen die
gebetseifrigen Frauen hier ihren Lebensabend in gepflegtem Ambiente mit herrlichem
Ausblick.
9
Hummelhimmel
Der Glaube
bricht durch Stahl und Stein
Der Glaube
bricht durch Stahl und Stein
und kann
die Allmacht fassen;
er wirket
alles und allein,
wenn wir
ihn walten lassen.
Wenn einer
nichts als glauben kann,
so kann
er alles machen;
der Erde
Kräfte sieht er an
als ganz
geringe Sachen.
Drum wolln
wir unter seinem Schutz,
den Satan
zu vertreiben
und seinem
Hohngeschrei zum Trutz,
mit unsern
Vätern gläuben.
Wenn man
den Herrn zum Beistand hat
und’s Herz
voll seiner Freuden,
so läßt
sich’s auch durch seine Gnad
um seinetwillen
leiden.
Nikolaus
Ludwig Graf von Zinzendorf (1700 – 1760)
Schwester Nolimetangete eilte vom
St. Dominikus-Haus, dem ältesten Gebäude der mächtigen Klosteranlage, die historischen
Wurzeln missachtend, zu Siegfrieds Werkstatt. Sie hetzte durch den Torbogen am Quadrum,
ließ die Klosterkapelle rechts liegen und flog kurzzeitig in Richtung Pforte. Scharf
rechts bog sie jäh zum Altenheim ab, dort, wo die gebrechlichen Franziskanerinnen
ihr modernes Zuhause hatten. Im Keller hatte Siegfried sich seine Werkstatt eingerichtet.
Siegfried war der Hummel-Schnitzer.
Nachdem
die legendären Hummelfiguren, die ihren Ursprung in diesem Kloster hatten, nicht
mehr zum Aussteuerrenner ländlicher Brautpaare gehörten und jeder Amerikaner mindestens
eine der Feinkeramik-Kleinplastiken der Porzellanfabrik Goebel auf seinem Fernsehgerät
stehen hatte, musste man sich, um nicht zum Bettelorden zu verkommen, etwas einfallen
lassen. Die Lösung bot Siegfried Ködler mit seiner Erfindung der Öko-Hummel-Holzfigur.
Zuvor versuchte das Kloster mit eher bescheidenem Erfolg, seine Holzserie ›Der Heilige
Franziskus und die lieben Tierlein‹ zu vermarkten. Der Erfolg kam jedoch erst mit
den aus Holz gearbeiteten
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