Nonnenfürzle: Kriminalroman (German Edition)
Höchster.
Gelobt seist
du, mein Herr, durch Bruder
Wind und
durch Luft
und Wolken
und heiteren Himmel und jegliches
Wetter,
durch das
du deinen Geschöpfen den Unterhalt gibst.
Gelobt seist
du, mein Herr, durch Schwester Wasser,
gar nützlich
ist es und demütig und kostbar und keusch.
Gelobt seist
du, mein Herr, durch Bruder Feuer,
durch das
du die Nacht erleuchtest;
und schön
ist es und liebenswürdig und kraftvoll
und stark.
Franz von
Assisi (1181 – 1226)
Das Kloster lag friedlich dampfend
in frostiger montagnachmittäglicher Beschaulichkeit da, wo es auch sonst immer lag,
nämlich vage in südlicher Richtung auf der Anhöhe zwischen Bad Saulgau und Bolstern.
Und es lag
sehr stolz in der oberschwäbischen Winterkälte, denn es feierte unlängst sein 750-jähriges
Bestehen. Die ganze Bevölkerung war im Sommer zum wochenendlichen Tag der offenen
Tür eingeladen. Alt und jung humpelten, rollierten, strömten und hüpften in Scharen
zur klösterlichen Anlage. Nicht zuletzt wegen des im Jahre 2004 angelegten Franziskusgartens.
Die Franziskanerinnen hatten den alten Obstgarten zu einem herrlichen Verweil- und
Meditationsgarten umgestaltet, der nicht nur den frommen Frauen zur Erholung und
Besinnung diente. Jedermann war eingeladen, in der wunderbar gestalteten Anlage
zu verweilen und in unterschiedlichen Stationen, dem franziskanischen Sonnengesang
folgend, Kontemplation zu erfahren. Der alte Liedtext des Heiligen Franziskus lobt
in den Stationen Bruder Sonne, die Schwestern Mond, Wasser, Luft und Mutter Erde
mit ihren Blumen und Kräutern. Eine Menschensonnenuhr, eine Wasserquelle, das sich
windende Labyrinth, der duftende Kräutergarten, sogar ein Bienenhaus, Feuerstelle,
Weiher, Wald und eine kleine Kapelle bezeugen im Garten die Liebe zur Natur und
dessen Schöpfer.
Schon am
östlichen Portal wird man von dem frommen, namensspendenden Mann persönlich begrüßt.
Dem unfreiwilligen Chef des Ordens. Franziskus, der Heilige.
Obwohl er
männlichen Geschlechts war, gab er schon seit dem 13. Jahrhundert einer beträchtlich
großen weiblichen Fangemeinde, die in der Armutsbewegung ihren Ursprung hatte, seinen
Namen.
In bronzener
Erstarrung versucht er vor dem steinernen Tor des Klosters der Welt zu entfliehen,
indem er seine Kleidung hinter sich lässt. Der erstarrte Fromme strebt hin zum klösterlichen
Osteingang, um vermutlich durch das gewölbte Tor zur eigentlichen Anlage zu gelangen,
die vor langer Zeit temporäre Behausung für den wackeren Ritter Steinmar von Strahlegg
war. Dieser gleichsam Edle war Ministerialer bei der Äbtissin in Buchau. Und wie
viele Edle hatte er die Tendenz zum Messie, und so überließ er das Gut mit der dazugehörigen
Kirche frommen Dominikanerinnen in einem miserablen Zustand, damit sie es wieder
bewohnbar machten. Nach dem Bau einer neuen, ordensgemäßen Kirche wurde das Gebäude
unterschiedlichst zweckentfremdet, heute ist es das Haus St. Dominikus.
Dann war
da plötzlich das 18. Jahrhundert und unter der Leitung einer tatkräftigen wie feschen
Priorin namens Josepha Baizin wurde das neue Kloster aus der Erde gestampft und
die jetzige Pfarrkirche St. Markus gebaut. Mit der Säkularisation kam es zur Enteignung
des Klosters, der gesamte Besitz einschließlich der Anlage fiel an die Herren von
Thurn und Taxis.
Doch all
das scheint den frommen, tiefgekühlten Bronzemann vor dem Tore nicht zu kümmern,
immer noch versucht er forschen, doch erstarrten Schrittes der bösen Welt in den
sicheren Schoß seines Klosters zu enteilen, von dem er nicht einmal wusste, dass
er ihm seinen Namen schenken würde. Nach der Säkularisation hatte man im Lande eine
eigenartige Idee, auch Mädchen sollten erzogen und gebildet werden. Und so beschloss
man bei Ehingen, nämlich in Oggelsbeuren, im Jahre 1854 des Herrn auf Drängen eines
strammen Pfarrers und Pädagogen namens Kuonz ein franziskanisches Damenkränzchen
in Sießen zu etablieren, um jungen Weibsleuten die Segnungen der Bildung zukommen
zu lassen. Am 24. Mai 1860 war es dann so weit, das helle Licht jungfräulicher Bildung
strahlte von nun an schützend über der klösterlichen Anlage. Da Bildung boomte –
so ändern sich die Zeiten –, entstanden nun Lernfilialen in der ganzen Diözese.
Sießener Schulen präsentierten sich stolz und überaus erfolgreich in Stuttgart,
Friedrichshafen, Ellwangen, Rottenburg und Bad Mergentheim.
Dann kamen
nach Zeiten heiterer Bildung Zeiten, vor denen die Menschlichkeit geflohen
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